Umgang mit Sexualstraftätern:Weil du gefährlich bist

Ein Sexualstraftäter bleibt frei. So empörend diese Nachricht klingt: Es existiert kein Gesetz, das es ermöglicht, ihn wieder einzusperren, ohne dass er eine neue Tat beging.

Heribert Prantl

Ein mehrmals vorbestrafter Sexualverbrecher bleibt auf freiem Fuß. So lautet die Nachricht; sie klingt empörend.

Umgang mit Sexualstraftätern: Justizvollzugsanstalt Bruchsal: Die Sicherungsverwahrung muss anders aussehen als die Strafhaft. Denn sie ist etwas anderes als Strafe.

Justizvollzugsanstalt Bruchsal: Die Sicherungsverwahrung muss anders aussehen als die Strafhaft. Denn sie ist etwas anderes als Strafe.

(Foto: Foto: AP)

Aber: Die Nachricht ist falsch, zumindest falsch formuliert. Richtig muss sie so lauten: Der Verbrecher hat seine Strafe abgesessen; er ist, nach zwanzig Jahren Haft, wieder auf freiem Fuß; und er darf, so hat der Bundesgerichtshof geurteilt, in Freiheit bleiben. Weil er seine Strafe verbüßt, weil er keine neuen Taten begangen hat und weil kein Gesetz existiert, das es ermöglicht, ihn einfach wieder in Haft zu nehmen.

Es gibt keine Strafe ohne Gesetz, es gibt keine Haft ohne Gesetz - auch keine nachträgliche Sicherungsverwahrung ohne Gesetz. Daran darf in einem Rechtsstaat niemand rütteln.

Aber der Mann sei doch gefährlich, klagt der Landrat des Landkreises, in dem der Ex-Häftling jetzt lebt. Er war es aber schon, als er einst in Haft kam; und das Gericht hat in seinem Urteil diese Gefährlichkeit berücksichtigt. Es haben sich während der Haft keine Erkenntnisse für neue Gefährlichkeiten ergeben. Man kann nachträgliche Sicherungsverwahrung aber nicht einfach deswegen verhängen, weil man nachträglich meint, das Urteil damals sei zu milde gewesen.

Nachträgliche Sicherungsverwahrung: Sechsmal hat der Gesetzgeber das schärfste Schwert des Rechts in den jüngsten Jahren noch schärfer geschliffen. Auch die Gutachter werden immer schärfer: Sie entscheiden, unter öffentlichem Erwartungsdruck, in dubio contra - im Zweifel für anhaltende Gefährlichkeit und für die Fortdauer der Haft nach der Strafhaft. Das muss, so hat jüngst der Gerichtshof für Menschenrechte gemahnt, auf wenige Ausnahmefälle beschränkt bleiben.

Diese Ausnahmefälle muss der Gesetzgeber klarer und klüger regeln als bisher. Und: Er muss klar machen, dass Sicherungsverwahrung etwas anderes ist als Strafe. Sicherungsverwahrung ist Schutz der Öffentlichkeit vor neuen Straftaten.

Sie muss anders ausschauen als die Strafhaft, sie kann also nicht einfach in der alten Zelle vollstreckt werden - es reicht nicht, das Schild auf der Zelle einfach umzudrehen. Man wird eigene Sicherungsverwahrungshäuser bauen müssen.

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