Süddeutsche Zeitung

Ukraine-Konflikt:Platzeck will Russlands Annexion der Krim legalisieren

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Reaktionen auf Merkel-Rede: "Das ist Klartext gewesen'"

Viele Politiker loben den klaren Standpunkt von Bundeskanzlerin Angela Merkel gegenüber Russland. "Völkerrechtsbruch muss deutlich beim Namen genannt werden", sagte der Vizevorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und Russlandexperte Andreas Schockenhoff im Interview mit der Rheinischen Post. Putin habe die Tonlage selbst verschärft. Merkels Worte seien die Reaktion darauf gewesen, so Schockenhoff.

Auch die Grünen-Vorsitzende Simone Peters teilt Merkels Einschätzung zu Russlands Vorgehen in der Ukraine-Krise: Es sei gut, "dass hier deutliche Worte Richtung Putin gefallen sind, dass auch er ein Entgegenkommen zeigen muss", sagte die Oppositionspolitikerin. Allerdings machte sie auch deutlich, dass der Gesprächsfaden nicht abreißen dürfe. "Da halte ich auch die Worte der Kanzlerin für richtig, dass wir (...) in Europa mit einer Stimme sprechen und einheitlich vorgehen." Der Grünen-Politiker und ehemalige Europaabgeordnete Werner Schulz sagte in einem Interview: "Das ist Klartext gewesen."

Der Vorsitzende des Deutsch-Russischen Forums, Matthias Platzeck, fordert dagegen, im Ukraine-Konflikt nachzugeben. So solle die Annexion der Krim durch Russland legalisiert werden. "Die Annexion der Krim muss nachträglich völkerrechtlich geregelt werden, so dass sie für alle hinnehmbar ist", sagte der SPD-Politiker der Passauer Neuen Presse. Putin sei ein Garant für ein politisch stabiles Russland, sagte Platzeck. Er fordert: "Wir müssen also eine Lösung finden, bei der Putin nicht als Verlierer vom Feld geht."

Jazenjuk will direkte Gespräche mit Moskau auf "neutralem Gebiet"

Während in Deutschland über Merkels Rede diskutiert wird, reiste Außenminister Frank-Walter Steinmeier nach Kiew und Moskau. In Kiew traf er den ukrainischen Ministerpräsidenten Arseni Jazenjuk. Der rief Russland nach dem Gespräch zu Verhandlungen auf neutralem Gebiet auf. "Alles hängt vom russischen Präsidenten und seinem Umfeld ab", sagte Jazenjuk der Agentur Interfax zufolge. Wenn Putin den politischen Willen habe, "diesen Krieg gegen die Ukraine zu beenden, sind wir bereit, unsere Verhandlungen fortzusetzen", fügte er hinzu. Jazenjuk sagte, das Genfer Gesprächsformat - bestehend aus EU, USA, Russland und Ukraine - sei der Schlüssel für weitere Verhandlungen.

Moskau wies die Forderungen Kiews nach direkten Verhandlungen umgehend zurück. Die ukrainische Führung müsse nicht mit Russland sprechen, sondern mit den Aufständischen in der Ostukraine, sagte der russische Vize-Außenminister Grigori Karassin in Moskau Agenturen zufolge. Sein Land sei bereit zu Verhandlungen, an denen auch die Aufständischen beteiligt seien.

Diese neuen Gespräche sollten nach Ansicht des russischen Außenministers Sergej Lawrow in Minsk stattfinden. Die weißrussische Hauptstadt sei dafür der "optimale Ort". Im Rahmen einer Kontaktgruppe unter Vermittlung der OSZE hatten die Ukraine, Russland und die prorussischen Separatisten dort im September einen Waffenstillstand vereinbart. Dieses Minsker Abkommen wird allerdings unaufhörlich gebrochen. Allein in den vergangenen 24 Stunden seien durch Artilleriebeschuss und Minen fünf ukrainische Soldaten getötet und acht weitere verletzt worden, teilte das ukrainische Verteidigungsministerium am Dienstag mit. Das Format der Minsker Kontaktgruppe solle erhalten bleiben, forderte Lawrow. "Man muss das Rad nicht neu erfinden", sagte er.

Putin lud Steinmeier noch für Dienstagabend angeblich zu einem Gespräch in den Kreml ein. Das verlautete aus deutschen Delegationskreisen.

Merkels Geduld ist zu Ende

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte eine außenpolitische Rede während ihres Australien-Besuchs für heftige Kritik an Putin genutzt. Sie warnte vor einem Flächenbrand durch das Vorgehen Russlands in der Ukraine-Krise. Konkret bedeute der Kurs des russischen Präsidenten Wladimir Putin auch für Georgien, Moldawien und Serbien besondere Risiken, sagte Merkel. "Das (Verhalten Russlands) stellt nach den Schrecken zweier Weltkriege und dem Ende des Kalten Krieges die europäische Friedensordnung insgesamt infrage", sagte sie.

Putin verweigere eine Konfliktlösung im gegenseitigen Respekt und mit demokratischen und rechtsstaatlichen Mitteln, beklagte Merkel. Er setze auf das angebliche Recht des Stärkeren und missachte die Stärke des Rechts. Dennoch werde die Europäische Union nichts unversucht lassen, mit Russland zu einer diplomatischen Lösung zu kommen.

Die Bundeskanzlerin hatte sich während des G-20-Gipfels in Brisbane mit Putin zu mehrstündigen Gesprächen getroffen. Beide Politiker kennen sich seit langem. doch mittlerweile scheint die Kanzlerin nur noch verärgert über den russischen Präsidenten zu sein (mehr dazu in dieser Analyse). In ihrer Rede in Sydney zeigte sie schließlich, dass sie offenbar mit ihrer Geduld am Ende ist.

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