Süddeutsche Zeitung

Umgang mit rechtsextremer Partei:Sarkozy empfiehlt "Nein zu Front National"

  • Bei der Nachwahl eines Abgeordneten in Frankreich haben es die Kandidatin des rechtsextremen Front National (FN) und der Kandidat der Sozialisten (PS) in die Stichwahl geschafft.
  • Die konservative Partei UMP hatte diskutiert, ob sie ihren Anhängern eine Wahlempfehlung für den Sozialisten geben soll, um die Wahl der FN-Frau zu verhindern.
  • UMP-Chef Sarkozy hat sich nun geäußert, er spricht sich für ein "Nein zu FN" aus, will UMP-Mitgliedern aber die Wahlfreiheit lassen.

Von Lilith Volkert

Der Begriff klingt putzig, doch die Haltung, die dahintersteht, macht vielen Angst. Frankreichs größte Oppositionspartei UMP streitet gerade über die Strategie des "ni-ni" (weder noch). Der alte und neue Parteichef Nicolas Sarkozy, der die Losung vor vier Jahren auf lokaler Ebene ausgegeben hat, schien auch diesmal dafür: Wenn bei einer Stichwahl ein Kandidat des rechtsextremen Front National (FN) gegen einen Kandidaten antritt, der nicht zur eigenen Partei gehört, wolle er seinen Anhängern angeblich keine Wahlempfehlung geben. So berichtete es die Tageszeitung Le Monde. Weder für den einen, noch für den anderen.

Nun allerdings versucht Sarkozy den Streit in seiner Partei offenbar zu schlichten - indem er sich festlegt. Da er einen landesweiten Wahlsieg des Front National inzwischen für möglich halte, sprach er sich vor Abgeordneten seiner Partei für ein "Nein zu FN" bei der anstehenden Stichwahl für einen Parlamentssitz aus. Er wolle den UMP-Anhängern aber die Wahlfreiheit lassen.

Am Wochenende hat die FN-Kandidatin Sophie Montel bei einer Nachwahl für das französische Parlament im ostfranzösischen Départment Doubs die meisten Stimmen geholt. Sie tritt kommenden Sonntag gegen Frédéric Barbier von der Parti Socialiste (PS) an. Der Kandidat der konservativen UMP ist völlig überraschend ausgeschieden. Der bisherige sozialistische Abgeordnete Pierre Moscovici ist seit Herbst EU-Wirtschaftskommissar.

An diesem Dienstag hat sich nun die UMP-Führung getroffen, um über das weitere Vorgehen zu beraten. Betrachtet man die Wortmeldungen der vergangenen Tage, erschien es unwahrscheinlich, dass die Partei zu einer gemeinsamen Linie findet. "Wir müssen uns dem FN in den Weg stellen", schreibt Alain Juppé, Bürgermeister von Bordeaux und ehemaliger Premierminister in seinem Blog. Wäre er in Doubs wahlberechtigt, würde er seine Stimme "nach bestem Wissen und Gewissen" dem sozialistischen Kandidaten geben.

Es geht um mehr als einen dritten Parlamentssitz für den FN

Auch UMP-Vize Nathalie Kosciusko-Morizet hat kundgetan, sie persönlich würde den Sozialisten wählen. Christian Jacob, Fraktionsvorsitzender der UMP in der Nationalversammlung, empfahl hingegen in einem Radiointeriew, den Stimmzettel ungültig zu machen. Schließlich finde er sich als UMP-Politiker in den Positionen beider Parteien nicht wieder.

Tatsächlich geht es um viel mehr als die Frage, ob der Front National einen dritten Sitz in der Assemblée Nationale ergattert oder nicht. Die UMP muss sich über ihre zukünftige Position zum FN klarwerden. Wie will man sich jener Partei gegenüber verhalten, die mit ausländerfeindlichen Parolen, der Forderung nach einem Euro-Austritt Frankreichs und der Wiedereinführung der Todesstrafe seit Jahren einen Erfolg nach dem anderen einfährt? Und den Konservativen damit auch die eigenen Wähler abspenstig macht.

Unter der Präsidentschaft von Nicolas Sarkozy ist die UMP in einigen Fragen deutlich nach rechts gerückt. Seine Hoffnung, damit FN-Wähler zu gewinnen, erfüllte sich in den wenigsten Fällen. Tatsächlich aber war es auch schwer vorzustellen, dass der ehemalige Präsident seinem Nachfolger François Hollande den für den eigenen Kandidaten gewonnen geglaubten Sitz in der Nationalversammlung gönnt.

Zunächst schien es, als wolle Sarkozy sich demonstrativ von der bis zu den Pariser Anschlägen äußerst unbeliebten sozialistischen Regierung absetzen. Marine Le Pen verspottet Frankreichs große Parteien UMP und PS regelmäßig als "UMPS" - als korruptes Parteiensystem, das seine Mitglieder ausschließlich aus Eliteuniversitäten rekrutiere und sich gegenseitig Posten zuschustere.

Bisher stand die "republikanische Front" gegen den FN zusammen

Einer aktuellen Umfrage zufolge würde Le Pen mit Abstand die meisten Stimmen bekommen, wenn am Sonntag Präsidentschaftswahl wäre. Zumindest im ersten Wahlgang. In der Stichwahl würde sie laut Ifop-Institut klar unterliegen - ganz egal, wer dort ihr Gegner ist. Ein Zeichen dafür, dass die "republikanische Front" - das Zusammenstehen der großen Parteien und ihrer Wähler gegen den FN - zumindest auf nationaler Ebene noch immer funktioniert.

So wie im Jahr 2002. Weil bei der Präsidentschaftswahl viele Anhänger der Sozialisten zu Hause geblieben waren, schaffte es FN-Gründer Jean-Marie Le Pen neben dem damaligen Präsidenten Jacques Chirac in die Stichwahl. Obwohl Chiracs Stern bereits am Sinken war, wurde er daraufhin mit mehr als 80 Prozent der Stimmen wiedergewählt. Die Katastrophe, ein rechtsextremer Holocaust-Verharmloser im Élysée-Palast, war abgewendet. Doch der Schock, dass es möglich wäre, ist bis heute spürbar.

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