Umgang mit Flüchtlingen:Willkommen in Dänemark

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  • In Dänemark formiert sich in der Bevölkerung Widerstand gegen die abschreckende Flüchtlingspolitik der Regierung.
  • Eine Bürgerinitiative sammelt Geld und schaltet Willkommens-Anzeigen in Zeitungen.
  • Ihr Ziel: Der Welt zeigen, dass Dänemark ein weltoffenes Land ist.

Von Silke Bigalke, Stockholm

Ein verschlossenes, knausriges kleines Land muss Dänemark sein. Diesen Eindruck konnte gewinnen, wer in den vergangenen Wochen dänischen Politikern zuhörte. Im Wahlkampf im Juni überboten sie sich mit Vorschlägen, wie man Flüchtlinge aus ihrem Königreich fernhalten könne. Der Zustrom müsse sofort gebremst werden, sagte etwa Lars Løkke Rasmussen von den Liberalen, warnte vor Ghettobildung und Parallelgesellschaften. Keine Woche nach seiner Ernennung zum Regierungschef legte er einen Gesetzentwurf vor, um Hilfen für Asylbewerber um die Hälfte zu kürzen. Integrationsministerin Inger Støjberg will nun Anzeigen in ausländischen Zeitungen schalten. Diese sollen Flüchtlinge über die dänische Politik informieren und ihnen damit deutlich machen, dass sie besser woandershin fliehen.

Nun aber kommen ganz andere Töne aus Dänemark: "Liebe Menschen auf der Flucht: Nicht alle Dänen denken so wie Inger Støjberg", heißt es da. "Viele von uns wollen, dass Flüchtlinge willkommen sind. Viele von uns möchten den Menschen helfen, die vor Bomben und Folter flüchten." Die Worte stammen aus einer Zeitungsanzeige, die im Gegensatz zur Anzeige der Ministerin bereits erschienen ist. Der Guardian hat sie am Montag gedruckt, zwischen 2000 und 3000 Dänen hätten für die Anzeige gespendet, sagt Marianne Rosenkvist, die Sprecherin der Bewegung.

Die Idee dazu sei entstanden, als sie mit Bekannten via Facebook über die Idee von Støjberg diskutierten. Sie gründeten daraufhin die Facebook-Seite "Velkommen til flygtninge", Flüchtlinge willkommen, und begannen, Geld für die Gegenanzeige zu sammeln. Anfangs sei die Resonanz gering gewesen, so Rosenkvist. "Doch als klar wurde, dass wir genügend Geld haben, um die Anzeige zu bezahlen, wurden die dänischen Medien auf uns aufmerksam."

"Der Welt sagen, dass es noch eine andere Stimme in Dänemark gibt"

19 700 Facebook-Nutzer haben sich bereits hinter die Kampagne gestellt, mehr als 200 000 dänische Kronen an Spenden sind zusammengekommen. 121 000 (16 215 Euro) kostete laut Rosenkvist die Anzeige im Guardian - so bleibt ein wenig Geld für eine weitere Anzeige. Eine deutsche Tageszeitung soll sie drucken. "Wir müssen der Welt sagen, dass es noch andere Stimmen in Dänemark gibt", sagt Rosenkvist. Es sei traurig, dass die Regierung ein Bild von Flüchtlingen zeichnet, als ob diese allein wegen der Sozialleistungen nach Dänemark kämen.

Viele Dänen scheinen dieses Bild allerdings zu teilen. Erst im Juni wählten sie die Dänische Volkspartei zur zweitstärksten Kraft im Parlament. Deren Ziel ist es, so wenig Flüchtlinge wie möglich ins Land zu lassen. Sie unterstützen die liberale Regierung von Lars Løkke Rasmussen und tragen dessen Gesetzentwurf mit strengeren Regeln für Asylsuchende mit.

Michala Bendixen von der dänischen Organisation "Refugees Welcome" sieht einen großen Widerspruch zwischen der öffentlichen Haltung vieler Dänen und ihrem tatsächlichen Verhalten gegenüber Flüchtlingen. "Wenn Dänen wählen oder in Umfragen antworten, sind sie meist gegen Immigranten", sagt sie. "Doch wenn sie Flüchtlinge treffen, ist es genau andersrum: dann sind sie hilfsbereit und sehr offen. Diese Diskrepanz ist wirklich seltsam."

Meine Presseschau
:Heftig und kontrovers

In Skandinavien diskutieren die Medien über Flüchtlinge. In Dänemark fürchten viele, Flüchtlinge kämen wegen der Sozialleistungen.

Ausgewählt von Silke Bigalke

Dahinter stehe, dass Politiker Flüchtlinge seit Jahren für viele Probleme in Dänemark verantwortlich machten und immer auf den ethnischen anstatt auf den sozialen Hintergrund zielten. So entstehe ein Bild von Dänemark "dass wirklich falsch ist und uns schadet", sagt Bendixen. Sie hat im Guardian ihre eigene Kampagne gestartete. In einem Meinungsartikel erklärte sie dort, warum Flüchtlinge unbedingt nach Dänemark kommen sollten.

© SZ vom 12.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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