Süddeutsche Zeitung

Umfragewerte von Obama:Zweifel an der Glaubwürdigkeit

Direkt vor dem Deutschland-Besuch des US-Präsidenten meldete CNN einen Absturz von Obamas Beliebtheit. Klingt nach Prism logisch. Viel erstaunlicher ist aber eine enorme Konstante bei Obamas Werten, die jedoch in einer wichtigen Kategorie bröckelt.

Von Matthias Kolb

Die Meldung von CNN klingt eindeutig: Einer aktuellen Umfrage zufolge bewerten mehr Amerikaner Obamas Amtsführung negativ als positiv. Zeigen die Enthüllungen um Prism, die Fehler der Steuerbehörde und das Scheitern bei den Waffengesetzen Wirkung? Dieses Urteil wäre vorschnell, doch auch das Weiße Haus erkennt: Selbst Obama kann sich nicht alles erlauben.

Die Zahlen, die CNN kurz vor Obamas Deutschland-Besuch veröffentlichte, waren erstaunlich. Die Zustimmungsrate für die Arbeit des US-Präsidenten sei innerhalb eines Monats von 53 auf 45 Prozent gefallen, meldete der Nachrichtensender. 54 Prozent der Befragten gaben an, dass sie mit Obamas Handeln unzufrieden sind.

Das ist ein erstaunlich schlechter Wert, für den es Gründe geben muss. Die scheinen schnell gefunden, denn schließlich macht Obama seit Wochen vor allem negative Schlagzeilen - und das Weiße Haus ist im Dauer-Krisenbewältigungsmodus. Allerdings spricht einiges dafür, dass die CNN-Ergebnisse eine Ausnahme sind. Denn das eigentlich Erstaunliche an Obamas Popularitätswerten ist ihre Konstanz, wie etwa Chris Cillizza in der Washington Post schreibt: "Für jede Umfrage, die eine wirkliche Bewegung bei Obamas Beliebtheit vermeldet, gibt es drei Erhebungen, in denen sich nichts tut."

So urteilte eine vom Umfrageinstitut Pew Research ausgewählte Gruppe von Amerikanern im gleichen Zeitraum anders über ihren Präsidenten: 49 Prozent sind demnach mit Obama zufrieden, nur 43 Prozent unzufrieden; bei Gallup ermittelte Werte von 47 Prozent Unterstützung respektive 45 Prozent Ablehnung. Auf diesem Level - knapp unter 50 Prozent, aber meist über 45 - pendelt sich das Urteil über Amerikas ersten afroamerikanischen Präsidenten seit Monaten ein.

Dies lässt sich mit einer ausgeprägten Polarisierung der amerikanischen Gesellschaft erklären: Mindestens vier Fünftel der Demokraten sind mit Obama zufrieden, ebenso viele Republikaner lehnen alles ab, was der Präsident tut. Die parteiungebundenen Wähler teilen sich in fast gleich große Gruppen, was Unterstützung oder Ablehnung angeht. Egal worüber in Washington gestritten wird und die (Pseudo-)Experten auf Fox News und MSNBC diskutieren - die Meinungen über Obama wirken wie in Stein gemeißelt.

Enttäuschung bei jungen Amerikanern

Ist also alles business as usual im Weißen Haus? Nicht ganz, denn einige Zahlen der CNN-Umfrage zeigen einen für Obama gefährlichen Trend. So sind seine persönlichen Sympathiewerte ebenfalls um neun Punkte zurückgegangen: Nur noch 49 Prozent der Befragten finden ihn ehrlich und vertrauenswürdig. Auch der TV-Sender NBC stellte kürzlich in dieser Kategorie einen Einbruch fest.

Dass die Sympathiewerte im Laufe der Regierungszeit sinken - Anfang 2009 hielten 74 Prozent der Amerikaner Obama für glaubwürdig -, erleben Politiker in aller Welt. Doch die persönliche Glaubwürdigkeit war stets einer von Obamas Trümpfen: Bei sogenannten beer tests ("Mit welchem Kandidaten würden Sie gern ein Bier trinken gehen?") lag der Demokrat stets weit vor Mitt Romney und allen anderen möglichen Herausforderern der Republikaner.

Die Kontroverse um das Attentat auf das Konsulat in libyschen Bengasi oder die übereifrige Arbeit der Steuerbehörde IRS bei Tea-Party-Gruppen haben offenbar auch bei Obama-Sympathisanten leise Zweifel an dessen Charakter aufkommen lassen. Und dass der US-Präsident nun überall das Prism-Spähprogramm voller Überzeugung verteidigt, gefällt vielen seiner liberalen Anhänger nicht.

Deswegen erscheint eine Zahl aus der CNN-Umfrage ebenso interessant wie aus Sicht des Weißen Hauses dramatisch: Bei den unter 30-Jährigen fiel seine Zustimmungsrate um 17 Punkte und liegt nun nur noch bei 48 Prozent. Neben Afroamerikanern, Latinos und gut ausgebildeten Frauen gehören gerade Studierende und junge Leute zu den wichtigsten Obama-Unterstützern und diesen sind Themen wie Privatsphäre im Netz, Bürgerrechte und Transparenz sehr wichtig. Kein Wunder, dass sich Karl Rove - einst Wahlkampfmanager und Chef-Stratege für George W. Bush - im Wall Street Journal freut, dass die jungen millennials sauer auf Obama sind.

Sicherlich ist es ratsam, noch einige Wochen abzuwarten und zu verfolgen, ob sich dieser Trend verfestigt oder ob Barack Obama seine jungen Anhänger in der von ihm angeblich so begrüßten "Debatte" über die richtige "Balance zwischen Privatheit und Sicherheit" wird überzeugen können.

Charlie Cook, Autor des einflussreichen Cook Report und einer der erfahrensten Interpreten der öffentlichen Meinung in den USA, weist auf eine andere Entwicklung hin, die dem Weißen Haus nicht gefallen dürfte.

Erfahrungsgemäß fällt es US-Präsidenten in ihrer zweiten Amtszeit ohnehin schwer, ihre Agenda durchzusetzen. Die aktuellen Debatten um echte und vermeintliche Skandale führen nun aber dazu, dass Obama in der allgemeinen Wahrnehmung nicht vom soliden Wirtschaftsaufschwung, einer sinkenden Staatsverschuldung und von der optimistischeren Stimmung der US-Verbraucher profitieren kann - diese Entwicklungen honorieren vor allem die Wähler in der Mitte, die sich aber bereits total den Republikanern oder Demokraten verschrieben haben.

So dürfte es für Obamas Partei noch schwerer werden, 2014 die Mehrheit im Senat zu verteidigen oder gar das Repräsentantenhaus von den Republikanern zurückzugewinnen. Und selbst wenn alles so bleibt wie es ist, bricht dem US-Präsidenten viel Unterstützung weg, die er braucht, um seine Ziele für die zweite Amtszeit durchzusetzen.

Der Autor twittert unter @matikolb.

Linktipp: Das National Journal analysiert in einem lesenswerten Text Obamas Probleme mit der eigenen Glaubwürdigkeit.

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