Umfragen:Aufbruch ins Ungewisse

Die Wahl der neuen Parteichefs bringt zunächst keinen Schwung: Die SPD verharrt bei 13 Prozent. Der neue Linkskurs kommt bei den Anhängern auch nicht besonders gut an.

Von Robert Probst

Willy-Brandt-Skulptur im Atrium des Willy-Brandt-Hauses in Berlin, der Bundeszentrale der Sozialdemokratischen Partei De

Eine "Rückkehr zur Partei Willy Brandts" versprach Norbert Walter-Borjans. Im Bild die Statue Brandts in der Parteizentrale.

(Foto: Winfried Rothermel/imago)

Eine Woche nach dem Parteitag und der Wahl des neuen Führungsduos gibt es erste Hinweise, wie die neue Politik der Sozialdemokraten bei der Bevölkerung ankommt. Umfragen der Forschungsgruppe Wahlen und von Infratest dimap legen jedenfalls nahe, dass auch die Bürger ähnlich wie die Union den beiden neuen Vorsitzenden, Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans, kein "Begrüßungsgeschenk" zu machen bereit sind. So hatte sich CDU/CSU-Fraktionschef Ralph Brinkhaus zum Wochenbeginn ausgedrückt. Die SPD verharrt jedenfalls in der Sonntagsfrage der Forschungsgruppe bei 13 Prozent, bei Infratest ging es um einen Punkt hoch auf 14 Prozent. Das ist bei jeder Projektion nur Platz vier. Einige Projekte hingegen werden durchaus goutiert.

Weniger als ein Viertel (23 Prozent) der zwischen Dienstag und Donnerstag befragten Bürger glauben laut Politbarometer der Forschungsgruppe, dass Esken und Walter-Borjans die Partei erfolgreich in die Zukunft führen werden, 62 Prozent sind pessimistisch. Die SPD-Anhänger sind nur ein wenig optimistischer. 37 Prozent glauben, die beiden Neuen könnten maßgeblich zum Erfolg der Partei beitragen, 42 Prozent sind gegenteiliger Ansicht, 21 Prozent erlauben sich kein Urteil.

Ein aufschlussreicher Vergleich ist hier die Wahl der neuen Grünen-Spitze Ende Januar 2018. Damals hieß es im folgenden Politbarometer: "Annalena Baerbock und Robert Habeck trauen 47 Prozent der Befragten zu, die Grünen erfolgreich in die Zukunft zu führen. 28 Prozent bezweifeln das. Innerhalb der eigenen Anhängerschaft fällt der Zuspruch viel klarer aus: 79 Prozent der Grünen-Anhänger erwarten von den beiden Vorsitzenden eine erfolgreiche Parteiführung, nur acht Prozent sind skeptisch."

Kein klares Urteil ergibt sich bei der Frage nach den Auswirkungen eines stärkeren SPD-Linkskurses. Walter-Borjans hatte auf dem Parteitag gesagt: "Wenn eine Rückkehr zur Partei Willy Brandts, und in meinem Fall aus langer gemeinsamer Geschichte auch Johannes Raus, ein Linksschwenk der Partei ist, dann bitte sehr, dann machen wir gemeinsam einen ordentlichen Linksschwenk." 41 Prozent meinen, ein solcher Linksschwenk würde der SPD eher nutzen, 48 Prozent nehmen an, dies würde eher schaden. Bei den SPD-Anhängern sagen 45 Prozent "nutzen" und 46 Prozent "schaden".

Unter Linkskurs verstehen die Sozialdemokraten zum Beispiel mehr Investitionen und die Aufgabe der schwarzen Null im Bundeshaushalt. Diese Forderung nach höheren Investitionen in Bildung, Verkehr und digitale Infrastruktur auch zum Preis neuer Schulden tragen 75 Prozent der Befragten mit; 22 Prozent sind dagegen. Auch das Konzept, eine Vermögensteuer einzuführen, findet bei vielen Bürgern Zustimmung. Im aktuellen ARD-Deutschlandtrend von Infratest dimap sagen 72 Prozent der Befragten, sie fänden die Einführung einer solchen Steuer gut. 25 Prozent lehnen die Pläne ab. Die Forderung, die geplante CO₂-Abgabe zu erhöhen, wird dagegen nur von 38 Prozent für gut befunden, wie die Forschungsgruppe erhoben hat.

Beim Thema Koalition raten 69 Prozent der SPD-Anhänger ihrer Parteispitze zum Festhalten an dem Bündnis mit CDU und CSU, bei allen Bürgern sind es 58 Prozent. Nach der nächsten Bundestagswahl präferieren aber nur neun Prozent eine große Koalition. Dazu muss man aber wissen, dass die "beliebteste" Wunschkoalition - das wäre Schwarz-Grün - auch nur von 16 Prozent der Befragten bevorzugt würde. Der beliebteste SPD-Spitzenpolitiker ist weiterhin Finanzminister Olaf Scholz auf Platz drei hinter Kanzlerin Angela Merkel und Robert Habeck. Die beiden Neuen sind für die Top Ten noch zu unbekannt.

Die Hoffnung aber müssen die Sozialdemokraten im Grünen-Vergleich auch nicht gleich aufgeben. Vor der Wahl von Baerbock und Habeck lagen die Grünen bei der Sonntagsfrage bei zwölf Prozent, zwei Wochen später ging es auf 14 hoch - nun sind sie bei 23 Prozent angelangt.

Am Donnerstag hatten Esken und Walter-Borjans bekanntlich ein "gutes Gespräch" mit Kanzlerin Merkel. Wie sich das auf die Lust der Bürger auf die neue SPD auswirkt, wird man aber erst am nächsten Politbarometer im kommenden Jahr ablesen können. Es kommt am 16. Januar.

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