Umfrage zu Politiker-Dienstwagen:Volksvertreter im Klimakiller

Koalitionsverhandlungen

Alexander Dobrindt (CSU), inzwischen Verkehrsminister, findet Elektroautos gut. Er fährt der Deutschen Umwelthilfe zufolge aber selbst noch zu häufig mit einem Diesel.

(Foto: dpa)

Umweltschutz oder ordentlich Power unter der Haube - was geht vor? Beim Spritverbrauch der Dienstwagen deutscher Spitzenpolitiker schneidet die CSU besonders schlecht ab. Trotz der Tricks von Herrn Dobrindt.

Von Benjamin Romberg, Berlin

Es ist ja nicht so, dass sich Politiker keine Gedanken um die Umwelt machen würden. Oder zumindest um ihr Image, das darunter leiden könnte, wenn die Öffentlichkeit von ihren Umweltsünden erführe. Das merkt Jürgen Resch, wenn es mal wieder Ärger gibt. Er ist Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, die jedes Jahr die Dienstwagen von Politikern auf Klimafreundlichkeit hin prüft.

Da war dieses Mal etwa Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU). Der gab an, er fahre ein Elektroauto. Das Problem dabei: Man habe Dobrindt häufiger aus anderen Wagen aussteigen sehen, berichtet Resch. "Er dachte, er kommt damit durch." Kam er nicht. Bei der Beurteilung der Fortbewegungsmittel der Bundesminister landete er auf dem vorletzten Platz. Noch schlechter abgeschnitten hat nur Herrmann Gröhe (CDU), zuständig für das Gesundheitsministerium.

Zum achten Mal hat die Deutsche Umwelthilfe deutsche Spitzenpolitiker zu ihren Dienstwagen befragt und diese Angaben mit dem Kraftfahrt-Bundesamt abgeglichen. Die Ergebnisse des aktuellen Checks wurden am Mittwoch in Berlin vorgestellt. Und aus Sicht der Umweltschützer gibt es auch etwas Erfreuliches zu berichten: Erstmals ist ein klarer Trend zu sparsameren Fahrzeugen erkennbar. Die Umfrage erhöhe den Druck auf die Politiker, nicht mehr mit großen Spritschluckern zu ihren Terminen zu heizen, glaubt Resch. Vielen sei die symbolische grüne Karte wichtig.

Für ihre Bewertung hat die Deutsche Umwelthilfe ein Ampelsystem entwickelt. Wer den EU-Grenzwert von 130 Gramm CO2 pro gefahrenem Kilometer einhält, bekommt die grüne Karte. Bei einem Wert von mehr als 175 Gramm gibt es die rote, dazwischen die gelbe Karte. Letztere haben in diesem Jahr sämtliche Bundesminister erhalten.

Mit einem Wert von 148 schnitt dabei Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU) noch am besten ab. Schlusslicht Gröhe kam auf 171. "Es fehlen positive Ausnahmen", kritisiert Resch. Selbst einen Umweltminister, der sich an die Grenzwerte hält, hat es noch nie gegeben. Amtsinhaberin Barbara Hendricks (SPD) ist mit einem Wert von 169 kein Vorbild. Sie liegt gleichauf mit Dobrindt.

Einige Ressortchefs wie etwa Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen oder Außenminister Frank-Walter Steinmeier tauchen mit ihren gepanzerten Fahrzeugen in der Liste aus Sicherheitsgründen allerdings nicht auf. Das gilt auch für die Bundeskanzlerin. Erstmals in die Umfrage mit aufgenommen wurden dafür in diesem Jahr auch die Dienstwagen der Staatssekretäre. Gerade weil die Beamten bisher unbehelligt geblieben waren, seien da einige "Klimakiller" dabei, sagt Resch.

Auf die Parteien bezogen trifft die Bezeichnung "Klimakiller" am ehesten auf die CSU zu. Ein Blick auf die Dienstwagen der bayerischen Landesregierung zeigt, dass CSU-Politiker bei einem Wert von 178 landen - und damit mit Abstand auf dem letzten Rang. Führend sind hier - natürlich - die Grünen. Sie kommen mit ihren Fahrzeugen auf 130 - und halten damit als einzige Partei den Grenzwert ein.

Auch CSU-Parteichef Horst Seehofer ist für seine Leute kein gutes Vorbild. Er ist einer von fünf Ministerpräsidenten, die eine rote Karte erhalten. Der schlimmste Klimasünder ist Seehofer aber nicht. Am schlechtesten schneidet Hannelore Kraft (SPD) aus Nordrhein-Westfalen ab.

"Vorsintflutliche Spritschlucker"

Die roten Karten für die CSU hängen offenbar damit zusammen, dass dort einige Politiker "fast wie zum Trotz" noch "vorsintflutliche Spritschlucker" fahren, kritisiert Resch. Das sei "unverständlich" in einem Flächenstaat, der sich für die Energiewende starkmache.

Die Umweltschützer sind nicht nur unzufrieden mit den Fahrgewohnheiten der Politiker, sondern auch mit der Umweltpolitik insgesamt. Vor allem weil die Bundesregierung Grenzwerte für Pkw bekämpft. Nur mühsam konnte sich die EU auf einen Wert von 95 Gramm CO2 pro Kilometer einigen, von 2020 an. Deutschland hatte einen Kompromiss aus Sorge um die eigene Autoindustrie zunächst blockiert, Merkel persönlich versuchte zu intervenieren. Letztlich gelang es der Bundesregierung, einen Aufschub der neuen Regelung zu erreichen und Vorteile für die Unternehmen durchzusetzen.

Durch ihre Preispolitik förderten die Konzerne die Anschaffung von umweltschädlichen Autos, kritisiert Resch. So seien besonders sichere und bequeme Wagen häufig nur mit entsprechender Motorisierung erhältlich. Resch berichtet zudem vom Fall eines Staatsekretärs, der sich bewusst für einen Mittelklassewagen entschieden habe. Daraufhin habe ihn der Autohersteller angerufen und zu einem größeren Fahrzeug geraten. In seiner Position, da müsse er doch ein vernünftiges Auto fahren, so das Argument.

Was aber ist ein vernünftiges Auto? Die Umweltschützer setzen darauf, dass ihre Umfrage eine Signalwirkung in ihrem Sinne hat. Resch spricht von einem "Hebeleffekt". Die Logik: Wenn der Chef ein kleineres Auto fährt, können seine Mitarbeiter kein größeres bestellen. Zudem haben die Spitzenpolitiker natürlich auch eine Vorbildfunktion in der Öffentlichkeit.

Dieser Funktion ist sich wohl auch Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann bewusst geworden. Im vergangenen Jahr zeigte ihm die Deutsche Umwelthilfe noch die rote Karte. Was für ein Desaster. Der Stempel "Umweltsünder" ausgerechnet für ihn, den ersten grünen Ministerpräsidenten. Also gab es mal wieder Ärger. Kretschmann beschwerte sich, in Stuttgart nutze er bereits ein Elektroauto, und für Termine im hügeligen Baden-Württemberg brauche er eben ein Fahrzeug mit Allradantrieb.

Dennoch hat er umgerüstet - und erhält für seinen Hybridwagen nun als einziger Regierungschef eine grüne Karte von den Umweltschützern.

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