Schulleiter-Umfrage:Seiteneinsteiger federn Lehrkräftemangel ab

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Schulleiter-Umfrage: Gerade in den naturwissenschaftlichen Fächern sind Lehrerinnen und Lehrer knapp.

Gerade in den naturwissenschaftlichen Fächern sind Lehrerinnen und Lehrer knapp.

(Foto: Science Photo Library/Imago)

Laut einer Umfrage war zu Beginn des laufenden Schuljahres an jeder zweiten Schule mindestens eine Stelle unbesetzt. Die Zahl der Beschäftigten ohne Lehramtsstudium hat sich dagegen verdoppelt. Das birgt auch Risiken.

Von Vera Kraft

Der Lehrkräftemangel ist gravierend - ohne Seiteneinsteiger wäre die Situation allerdings noch dramatischer. Das geht aus einer repräsentativen Umfrage unter Schulleitern hervor, die das Forschungsinstitut Forsa im Auftrag des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) durchgeführt hat. An mehr als der Hälfte aller Schulen fehlte mindestens eine Lehrkraft zu Beginn des laufenden Schuljahres. Bei fast einem Viertel der Schulen blieben sogar drei oder mehr Stellen unbesetzt. Lediglich an jeder dritten Schule seien alle Stellen besetzt. Kaum verwunderlich also, dass über 80 Prozent der Schulleiterinnen und Schulleiter befürchten, ihre Schule werde in Zukunft stark vom Lehrkräftemangel betroffen sein.

Knapp 25 000 Pädagogen werden bis zum Jahr 2035 fehlen, berechnete die Kultusministerkonferenz (KMK) im vergangenen Jahr. Doch: "In der Realität ist die Lücke jetzt schon doppelt so groß wie die KMK sie für 2035 prognostiziert", sagt Gerhard Brand, Bundesvorsitzender des VBE. Um diese Lücke zu füllen, stellen Schulen immer öfter Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger ein. Was einst als Notlösung gedacht war, gehört längst zum Schulalltag, sagt Brand. Seit 2018 hat sich die Anzahl von Beschäftigten ohne Lehramtsstudium fast verdoppelt. Besonders an Haupt-, Real- und Gesamtschulen, aber auch an Förder- und Sonderschulen arbeiten häufig Seiteneinsteiger.

Die Zahl der unbesetzten Stellen stagniert seit 2018 bei rund elf Prozent. Doch daraus zu schließen, der Lehrkräftemangel hätte sich nicht verschärft, wäre ein Trugschluss, betont VBE-Vorsitzender Brand. Die Seiteneinsteiger kaschieren diesen Mangel zwar, der Bedarf an qualifizierten Lehrerinnen und Lehrern steige aber weiter an.

Oft nicht ausreichend auf den Job im Klassenzimmer vorbereitet

Obwohl Seiteneinsteiger also immer unverzichtbarer werden, entstehen mit ihrem Einsatz in der Praxis gleichzeitig neue Probleme. Seiteneinsteiger werden oft nicht ausreichend auf ihren Job im Klassenzimmer vorbereitet, kritisiert Dirk Lederle, Schulleiter einer Realschule in Baden-Württemberg. "Die ganze Nachqualifizierung erfolgt nicht selten im Lehrerzimmer von den Kolleginnen und Kollegen vor Ort." Das führe allerdings wieder zu mehr Belastung. "Es reicht nicht, diese Leute als Lückenbüßer an die Schulen zu holen", sagt Lederle. Man müsse sie auch anständig qualifizieren und bezahlen.

Seiteneinsteigerin Friederike Arnold bestätigt diesen Eindruck: Man trage eine große Verantwortung, werde damit aber oft alleine gelassen. "Ich habe mich ständig ausgenutzt und überfordert gefühlt." Zudem habe sie als Seiteneinsteigerin nur befristete Verträge bekommen. Oft wusste sie bis kurz vor Beginn eines Schuljahres nicht, an welcher Schule sie als nächstes unterrichten solle. Der Schulleiter-Umfrage zufolge arbeiten bundesweit etwas mehr als die Hälfte aller Seiteneinsteiger in einem befristeten Arbeitsverhältnis.

So dankbar man um die Unterstützung durch Seiteneinsteiger auch sei, sagt VBE-Vorsitzender Brand, der Schwerpunkt zur Bekämpfung des Lehrkräftemangels sollte es trotzdem nicht werden. Man müsse am Kern ansetzen, etwa bei der Verbesserung der Studienbedingungen.

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