Umfrage:Enttäuschte Liebe

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SZ-Grafik; Quelle: Statista, Deutsche Bundesbank

China gilt als Zukunftsmarkt. Doch viele europäische Unternehmer beurteilen mittlerweile ihre Chancen in der Volksrepublik so skeptisch wie lange nicht.

Von Christoph Giesen

Für zahlreiche europäische Unternehmen ist China der wichtigste Markt. Die Autoindustrie verkauft nirgendwo so viel wie in der Volksrepublik, auch die für Deutschland so wichtigen Maschinenbauer sind auf die Nachfrage aus China angewiesen. Das macht demütig: Viele Firmen nahmen lange Zeit die mangelnde Reformbereitschaft der Volksrepublik in Kauf und akzeptierten den scharfen Protektionismus. China war schließlich der Zukunftsmarkt. Es lohnte sich trotz allem. Zuletzt investierten deutsche Unternehmen 5,1 Milliarden Euro in China, knapp sechs Mal so viel wie chinesische Firmen in Deutschland.

Mittlerweile sehen das viele Unternehmen jedoch anders. Die Wirtschaft der Volksrepublik ist zuletzt mit 6,7 Prozent so langsam gewachsen wie seit 25 Jahren nicht mehr, Prognosen versprechen für die kommenden Jahre keine Besserung - und dementsprechend schlecht ist die Stimmung bei europäischen Unternehmen in China.

Mehr als die Hälfte der Firmen gab bei einer am Dienstag in Peking vorgestellten Umfrage der Europäischen Handelskammer an, dass es von Jahr zu Jahr schwieriger werde, Geschäfte in China zu machen. "Die Enttäuschung nimmt zu", sagte Kammer-Präsident Jörg Wuttke. Nur noch 47 Prozent der Unternehmen planen, in den kommenden Jahren ihre Aktivitäten in China auszubauen. Selbst im Jahr der weltweiten Finanzkrise waren die Zukunftserwartungen rosiger. Im Jahr 2013 planten noch 86 Prozent aller befragten europäischen Unternehmen zu expandieren.

Zensur und Internetsperren vermiesen vielen Firmen zunehmend das Geschäft

Besonders die Diskriminierung im Vergleich zu chinesischen Konkurrenten dämpft der Umfrage zufolge die Stimmung. Mehr als jedes zweite Unternehmen aus Europa fühlt sich demnach im Vergleich zu chinesischen Wettbewerbern benachteiligt. Beispiele dafür gibt es etliche.

Chinesische Krankenhäuser etwa kaufen ihre Medizintechnik inzwischen vor allem bei lokalen Anbietern ein. Die Ausschreibungen dazu sind oft so verfasst, dass Wettbewerber wie Siemens, General Electric und Philips keine Chance haben, ihre CT-Scanner und Ultraschallgeräte loszuwerden, und das, obwohl die chinesische Produkte technisch noch deutlich schwächer sind. In vielen Fällen stammen die Produkte nicht einmal von den Unternehmen selbst: Die Grundlagenforschung, die Konzerne Milliarden kostet, wird gerne an Universitäten ausgelagert. Die Ergebnisse gibt es dann für lau.

Ebenfalls problematisch bewerten die befragten Unternehmen die rechtliche Situation in China, Vorschriften würden teilweise beliebig ausgelegt. Auch die gewaltigen Überkapazitäten der Wirtschaft machen den Europäern zu schaffen: Praktisch alle wichtigen Industriezweige leiden darunter, dass sie mehr Fabriken betreiben und Mitarbeiter beschäftigen als notwendig wären.

58 Prozent der befragten Unternehmen gaben an, dass die strengen Internetsperren in China ihre Geschäfte belasteten. Die Zensur verlangsamt das Internet, die Kommunikation mit den Kollegen in Europa kann sehr viel Zeit kosten - aber auch Geschäftsmodelle bedrohen. Die amerikanische Handelskammer in Peking lässt derzeit prüfen, ob die chinesische Zensur sogar gegen die Verträge der Welthandelsorganisation verstößt, da Internetkonzernen wie beispielsweise Google oder Facebook der größte Internetmarkt der Welt versperrt bleibt.

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