Sanktionen gegen RusslandEuropäer geben Putin etwas mehr Zeit

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Erstmals mit Wachbataillon: Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) begrüßt am Dienstag Kyriakos Mitsotakis, Ministerpräsident von Griechenland, mit militärischen Ehren vor dem Bundeskanzleramt.
Erstmals mit Wachbataillon: Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) begrüßt am Dienstag Kyriakos Mitsotakis, Ministerpräsident von Griechenland, mit militärischen Ehren vor dem Bundeskanzleramt. (Foto: Michael Kappeler/dpa)

Der Kanzler und seine Mitreisenden haben am Samstag in Kiew noch mit „massiven“ Sanktionen gedroht, falls Russland nicht von diesem Dienstag an die Waffen ruhen lässt. Jetzt ist von Ende der Woche die Rede.

Von Daniel Brössler und Hubert Wetzel, Berlin/Brüssel

Die Ansage von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und seinen europäischen Kollegen war klar gewesen: Wenn Russland seine Angriffe auf die Ukraine von Dienstag an nicht stoppe, drohten neue massive Sanktionen, hatten sie am Samstag beim Besuch in Kiew angekündigt. Doch von einem Beginn des 30-tägigen Waffenstillstands, den die „Koalition der Willigen“ fordert, konnte am Dienstag keine Rede sein. Kremlsprecher Dmitrij Peskow hatte zuvor die europäischen Warnungen zurückgewiesen. „Die Sprache der Ultimaten ist für Russland inakzeptabel, sie ist nicht angemessen“, sagte er.

Als Merz am Dienstag vor die Presse trat, klang es dann auch eher nach einer Fristverlängerung bei den angedrohten Sanktionen. Sollte es „in dieser Woche“ keine Fortschritte mit Russland geben, werde man „gemeinsam auch auf der europäischen Ebene für eine deutliche Verschärfung der Sanktionen eintreten wollen“, sagte der deutsche Regierungschef in Berlin.

Für die führenden Europäer steht nun nach der Demonstration ihrer Einigkeit in Kiew ihre Glaubwürdigkeit auf dem Spiel. Fast alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union und eine große Koalition der Willigen auf der ganzen Welt sei entschlossen, die „Sanktionen auch in Kraft zu setzen, wenn unsere Initiative des Wochenendes scheitern sollte“, hatte Merz in der ukrainischen Hauptstadt gesagt.  Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sprach dort von „massiven“ neuen Strafmaßnahmen gegen Moskau.

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Zu diesem Zeitpunkt waren die Europäer allerdings noch davon ausgegangen, US-Präsident Donald Trump an ihrer Seite zu wissen. Diesen Eindruck hatte Trump zuvor in einem Telefonat mit Merz, Macron, dem britischen Premierminister Keir Starmer und Polens Ministerpräsident Donald Tusk erweckt, die gemeinsam in die ukrainische Hauptstadt gereist waren. Die Unterstützung aus Washington währte allerdings nur kurz. In späteren Wortmeldungen Trumps war weder von Druck noch von Sanktionen die Rede.

Einen allzu offensichtlichen Rückzieher wollte das europäische Quartett jedoch nicht machen. Die europäische Seite werde sich an die in Kiew getroffenen Vereinbarungen halten, kündigte Regierungssprecher Stefan Kornelius am Montag in Berlin an. Auf der Ebene der außenpolitischen Berater würden „Vorbereitungen für Sanktionsmaßnahmen in Gang gesetzt“. Worin diese neuerlichen Sanktionen bestehen sollen, blieb offen. Merz sprach am Dienstag nur allgemein vom Energiesektor und vom Finanzmarkt.

In Brüssel, wo über die europäischen Sanktionen gegen Moskau entschieden wird, löste die scharfe Wortwahl der vier Kiew-Reisenden Irritationen aus. Die Botschafter der 27 EU-Mitgliedsländer wollen an diesem Mittwoch das 17. Paket mit Strafmaßnahmen gegen Russland absegnen. Das allerdings wird schon seit etlichen Wochen verhandelt und enthält nur moderate Verschärfungen. So werden weitere russische und chinesische Firmen mit Sanktionen belegt, die Teil der russischen Kriegsmaschinerie sind. Zudem sollen Tanker der sogenannten Schattenflotte sanktioniert werden, die illegal russisches Öl transportieren. Für ein härteres Vorgehen, etwa ein endgültiges Verbot von Öl- und Gasimporten aus Russland in die EU, fehlt in Brüssel hingegen die erforderliche Einstimmigkeit. Vor allem Ungarn stellt sich bei Sanktionen gegen Russland immer wieder quer.

Diplomaten in Brüssel sind daher skeptisch, dass es kurzfristig zu den von Merz und seinen Kollegen angedrohten „massiven“ neuen Sanktionen kommen kann. „Ich habe keine Ahnung, was sie damit gemeint haben“, sagte ein Regierungsvertreter. „Vielleicht gibt es irgendwelche magischen Sanktionen, die diese vier Länder allein beschließen können. Aber ich glaube, sie wissen selbst nicht so genau, was sie meinen.“ Es sei gefährlich, öffentlich derartige Drohungen auszustoßen, wenn das dann bei einem Verstoß keine entsprechenden Folgen habe, warnte der Diplomat. „Besser ist es, man legt zuerst das Ei und gackert dann laut.“

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Merz begrüßte die Bereitschaft des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij zu persönlichen Verhandlungen mit Wladimir Putin am Donnerstag in Istanbul.  Das müsse Putin nun annehmen, verlangte Merz. „Der Ball liegt ausschließlich in Russland“, sagte er. Der russische Präsident hatte ein Ende der Angriffe zwar abgelehnt, aber direkte Verhandlungen in der Türkei angeboten. Daraufhin hatte Selenskij angekündigt, Putin in Istanbul zu erwarten. Dass Putin sich auf ein direktes Gespräch mit dem von ihm als „Nazi“ verunglimpften Ukrainer jüdischer Herkunft einlassen würde, galt aber als äußerst unwahrscheinlich.

Kurz nach der Pressekonferenz mit dem griechischen Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis, auf der Merz sich zum Ukraine-Krieg geäußert hatte, musste der Regierungssprecher einen Versprecher des Kanzlers korrigieren. „Die Ukraine muss sich zu einem bedingungslosen 30-tägigen Waffenstillstand bereit erklären“, hatte Merz gesagt. Gemeint gewesen sei Russland.

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