Ulrich Wegener:Der Mann, der die GSG 9 prägte

Bundesinnenminister Werner Maihofer GER FDP anlässlich der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes a

„Ich war froh, dass wir mal zeigen konnten, was wir können.“ Ulrich Wegener bekommt das Bundesverdienstkreuz vom damaligen Innenminister Werner Maihofer für seinen Einsatz in Mogadischu.

(Foto: Sven Simon/imago)

Ulrich Wegener war nicht nur der Held von Mogadischu, er war auch einer der letzen legendären Draufgänger. Nun ist der frühere General gestorben.

Nachruf von Willi Winkler

Der Haudegen hat es schwer heute, die eiserne Hand, mit der Götz von Berlichingen seine Feinde einschüchterte, kommt nur noch auf der Freilichtbühne zum Einsatz. Selbst im Kino ist Rambo nur eine ferne Erinnerung. Roboter sind unverwundbar und können sich viel besser zur Wehr setzen; der Daumen am Atomsprengknopf braucht keinen durchtrainierten Körper mehr.

Ulrich Wegener, der Held von Mogadischu, war noch einer dieser legendären Draufgänger. In nur sieben Minuten hatte er am 18. Oktober 1977 mit seiner GSG 9 die neunzig Geiseln befreit, die sich seit mehr als einer Woche in der Hand arabischer Terroristen befanden. Vor vierzig Jahren fieberte das Land mit dem entführten Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer und mit Helmut Schmidt, der den Forderungen der RAF, ihre Kampfgenossen in Stammheim freizulassen, nicht nachgeben wollte. Über Wochen zog sich das Drama hin, bis die palästinensische Terrorfraktion PFLP die Urlaubermaschine Landshut auf dem Flug von Mallorca nach Frankfurt entführte, um den Druck auf die Regierung in Bonn noch einmal zu erhöhen. Mit neunzig Passagieren an Bord irrte die Maschine über die arabische Halbinsel. Sie wurde verfolgt von einer weiteren, in der Staatsminister Hans-Jürgen Wischnewski und Wegener saßen, der Chef der GSG 9.

Die Befreiung klappte, doch kurz darauf ermordete die RAF Hanns Martin Schleyer

Diese Sondereinheit des Bundesgrenzschutzes war genau fünf Jahre vorher gegründet worden, zwei Wochen nach dem Überfall auf die israelische Mannschaft bei den Olympischen Spielen in München. Damals hatte sich erwiesen, dass in der Bundesrepublik Deutschland niemand auf solche Terroranschläge vorbereitet war. Es fehlte an Scharfschützen, es fehlten vor allem Soldaten, die für einen solchen Ernstfall ausgebildet waren. Wegener, der dem damaligen Innenminister Hans-Dietrich Genscher als Verbindungsoffizier diente, sollte diese Spezialtruppe aufbauen.

Für diese Aufgabe gab es gar keinen besseren Mann als ihn. Schon sein Vater hatte in der Reichswehr gedient, er selber war in der noch ganz sowjetisch dominierten DDR aufgewachsen und dort anderthalb Jahre ins Gefängnis gesperrt worden, weil er Flugblätter verteilt hatte. Danach ging er in den Westen, bewarb sich bei der Polizei, wechselte dann zum Bundesgrenzschutz, besuchte die Offiziersschule und lernte bei der Nato die Spezialkommandos der britischen SAS kennen. Das Vorbild für die GSG 9 aber wurden jene israelischen Elite-Einheiten, denen es mehrmals gelungen war, gekaperte Flugzeuge und ihre Passagiere zu befreien.

1976 befand sich Wegener in Nairobi, als deutsche und arabische Terroristen eine Air-France-Maschine nach Entebbe in Uganda entführten, um ihre Genossen aus deutschen und israelischen Gefängnissen freizupressen. Aus der Nähe konnte er miterleben, wie die Israelis nachts in Uganda landeten, die Soldaten des Machthabers Idi Amin auf dem Flughafen überwältigten, die Entführer töteten und fast alle Geiseln lebend befreiten.

Nach diesem Vorbild gelang auch die Befreiungsaktion in Mogadischu. Für Wegener war es kaum mehr als ein immer wieder geprobtes Planspiel, bei dem er endlich Ernst machen konnte. Für die Deutschen daheim wurde es ein nie gesehenes Heldenstück. Selbst Helmut Schmidt sollen die Tränen gekommen sein; bei einem Scheitern hätte er zurücktreten müssen.

Die Gefangenen in Stammheim hörten die Nachricht, dass statt ihrer die Geiseln befreit worden waren, in ihren Zellen in Stammheim und brachten sich um; wenige Stunden später musste Schleyer sterben. Nach dem Triumph von Mogadischu war das für die Regierung eine doppelte Niederlage. Die militärische Lösung ist nur in Ausnahmefällen eine. Mogadischu war so eine und kaum wiederholbar.

Bereits 1979 gab Wegener die Leitung der GSG 9 ab, wurde Kommandeur des Grenzschutzkommandos West und brachte es bis zum Brigadegeneral. Nach seiner Verabschiedung beriet er unter anderem die Regierung Saudi-Arabiens. In einem Interview mit Herlinde Koelbl hat Wegener einmal durchblicken lassen, wie sehr die GSG 9 sein Leben bestimmt hat. Seine damals 16-jährige Tochter sei mit ihrem Freund abgehauen, da habe er sie von seiner Truppe zurückholen lassen. "Wir haben ihn kaltgestellt, natürlich ohne Waffen. Danach ist sie vernünftiger geworden."

Der hochrationale Haudegen Ulrich Wegener ist, wie erst jetzt bekannt wurde, am vergangenen Donnerstag im Alter von 88 Jahren in Köln gestorben.

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