Berlin - Wer auf ein Wort der Selbstkritik gewartet hatte, wurde beim ersten öffentlichen Berliner Auftritt von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt nach ihrem für alle Beteiligten strapaziösen Sommerurlaub in Spanien enttäuscht. Kurz vor 18 Uhr und somit später als ursprünglich geplant trat sie in rotem Jackett, schwarzer Hose und einem recht künstlich wirkenden Lächeln vor die Kameras im lichtdurchfluteten Innenhof ihres Ministerium und las eine Erklärung vor. Bei den ersten zwei Sätzen konnte man noch den Eindruck haben, es zeige sich ein Anflug von Reue.
"Ich habe großes Verständnis, dass die Berichterstattung über meinen gestohlenen Dienstwagen bei vielen Bürgerinnen und Bürgern Irritationen und Kritik ausgelöst hat. Ich kann dies nachvollziehen." Also doch, Bedauern? Ja, aber über die Berichterstattung der Medien in Deutschland und vermutlich auch in Spanien, die ihr und ihren Mitarbeitern in den vergangenen Tagen tatsächlich nicht gefallen konnte. Viel Kritik musste Schmidt einstecken und ihre Ministeriumssprecherin Dagmar Kaiser, die blass neben ihrer Chefin stand.
Der Ruf ist beschädigt
Schmidt, die mehr als acht Jahre im schwierigen Amt der Gesundheitsministerin Ärzten, Lobbyisten, der Pharma-Industrie und wütenden Patienten getrotzt hatten, muss nun ein eher unrühmliches Ende ihrer politischen Karriere befürchten. Sie ist nicht mehr Mitglied in der Wahlkampfmannschaft von Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier. Sie habe, wie sie sagt, Steinmeier angeboten, zunächst auf diesen Wahlkampfjob zu verzichten.
Das ist die Wortwahl, auf die sich die beiden in einem längerem Gespräch am Nachmittag geeinigt hatten, wenn auch, wie es heißt, nach etlichen Schwierigkeiten. Glaubt man Gewährsleuten aus der SPD, dann hat Steinmeier nicht das Herz gehabt, seine langjährige Parteifreundin gegen ihren ausdrücklichen Willen aus der Gruppe hinauszuwerfen. Seine Hoffnung sei gewesen, dass sie freiwillig diesen Rückzug anbietet. Schlussendlich beugte sich Schmidt wohl.
Vielleicht, weil sie, wie sie sagte, unbedingt wolle, dass Steinmeier Kanzler wird und die SPD eine starke Partei bleibe. Dass ihr Ruf beschädigt ist, hat die 60-Jährige begriffen. In der Erklärung, die der Form nach eine Ansprache an die deutsche Bevölkerung war, mühte sie sich, ihr neues Image zu korrigieren. "Mir kann man vielleicht viel nachsagen, dass ich eine Kämpfernatur bin oder eine rheinische Frohnatur. Aber zwei Dinge kann man mir nicht unterstellen: Dass ich die Bodenhaftung verloren habe oder abgehoben bin. Ich bin immer eine von Ihnen geblieben."
Pressekonferenz abgesagt
Die Journalisten, die sich zu der dieser Ansprache im Ministerium versammelt hatten, durften hernach keine Fragen stellen. Dabei hatte Sprecherin Kaiser noch am Vormittag genau das Gegenteil in Aussicht gestellt. Kaiser entschuldigte sich, nannte aber keinen Grund für das Frageverbot. "Weil es eben manchmal so ist im Leben", sagt sie nur.
Dabei hätte man Schmidt gern so viele Dinge gefragt. Wieso sie und Steinmeier glauben, dass sie als Wahlkämpferin zurückkehren kann, wenn ihr der Haushaltsausschuss des Bundestages und der Bundesrechnungshof attestieren sollten, sie habe nicht gegen die geltenden Regelungen verstoßen. Versteht man die SPD-Führung recht, war sie nicht wegen der Mitnahme ihres Wagens, sondern wegen Dickköpfigkeit und mangelnden politischen Instinkts nicht mehr zu halten.
Über die Details des Dienstwagengebrauchs in Spanien hätte man auch noch gern mehr gewusst. Aber Schmidt will sich vorerst gar nicht mehr öffentlich äußern. Eine für Donnerstag geplante Pressekonferenz zum Thema Pflege wurde abgesagt. Offen ist noch, ob sie wieder zurück in den Urlaub fährt. Dieser Mittwoch hatte für Schmidt eigentlich nur eine einzige gute Nachricht. Ihr vergangene Woche gestohlenes Fahrzeug wurde ihrem Chauffeur in Spanien zurückgeben, erzählte Sprecherin Kaiser ganz am Schluss.