Ukrainischer Aktivist:Litauen - Hort der osteuropäischen Opposition

Am Sonntagnachmittag versuchten Polizisten, sich Zugang zum Krankenzimmer Bulatows zu verschaffen, sie wollten ihn mitnehmen, allen Zusagen zum Trotz. Vertreter von Miliz und Staatsanwaltschaft hätten auf einem Hausarrest bestanden, heißt es. Offenbar hatte sich zu diesem Zeitpunkt hinter den Kulissen das Innenministerium durchgesetzt, das von Vitali Sakchartschenko geführt wird, der als Gegner von Kompromissen gilt. Er ist für die Sondereinheit Berkut zuständig, die in den vergangenen Wochen immer wieder gegen die Demonstranten vorging, er soll auch für Schlägertrupps zuständig sein, die gegen Euromaidan-Aktivisten losgeschickt werden.

Erst Interventionen von Diplomaten, eine Art Schutzgarde von Freunden um das Bett des Verletzten und Druck aus dem Ausland, vor allem aus Deutschland, sollen dafür gesorgt haben, dass man Bulatow gehen ließ. Dafür musste am Sonntag sogar ein Gerichtsurteil produziert werden. Schließlich verließ der Kiewer das Krankenhaus gemeinsam mit dem oppositionellen Oligarchen Petro Poroschenko, um nach Vilnius zu fliegen. Litauen gilt als Hort der osteuropäischen Opposition.

Auch andere prominente Demonstranten sind auf der Flucht vor regierungstreuen Schlägertrupps. Alexander Daniljuk, Anführer der nationalistischen Gruppierung Spilna Sprava, hat sich nach London abgesetzt. Das verkündet er auf seiner Facebook-Seite. Der 32-jährige Anwalt schreibt, dass er von der Polizei gesucht werde und sich aus Angst vor Entführung und Folter abgesetzt habe.

Weiteren Widerstand trotz polizeilicher Verfolgung kündigt auch Andrij Dschyndschija an, Anführer einer Gruppe, die sich "Straßenkontrolle" nennt und die versucht, korrupte Polizisten zu überführen, die von Autofahrern Gelder erpressen. Dschyndschija war verhaftet worden und wieder freigekommen, andere Mitglieder seiner Gruppe sollen von Unbekannten angegriffen worden sein. Sie sind nach Angaben von "Straßenkontrolle" auf der Flucht.

In der Ukraine ist ein Netzwerk von Notrufen und Such-Webseiten wie Euromaidan-SOS entstanden; zudem haben sich Telefonketten etabliert, mit denen flüchtige Aktivisten quer durch das Land weitergereicht werden. Täglich wird die Liste der Vermissten im Euromaidan-Hauptquartier aktualisiert; derzeit gelten 36 Demonstranten als vermisst. Unterdessen führen Anhänger Bulatows die Idee vom Auto-Maidan weiter. Am Sonntag organisierten Regierungsgegner in zahlreichen Ländern Autokorsos - unter anderem in Wien zum Haus des zurückgetretenen Premiers Mykola Asarow.

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