Ukraine:Wolodimir Selenskij vereidigt

Ukraine - Präsident Wolodomir Selenskij 2019 im Parlament in Kiew

Mit der Bulawa, dem ukrainischen Symbol der Macht, in der Hand: Wolodimir Selenskij bei seiner Vereidigung.

(Foto: Markiv Mykhailo/AFP)

Der neue Präsident will nun möglichst schnell das Parlament auflösen und im Juli neu wählen lassen. Doch ob er das darf, ist noch nicht ganz klar.

Von Florian Hassel, Warschau

Der neue ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij ist auf Konfrontationskurs zu Amtsvorgänger Petro Poroschenko und dem bisherigen Parlament gegangen. Selenskij erklärte das Parlament für aufgelöst, er will eine Neuwahl innerhalb von 60 Tagen: Dann würde bereits im Juli gewählt statt regulär Ende Oktober. Der neue Präsident will so seine Popularität nutzen, um seine in Umfragen führende Partei "Diener des Volkes" möglichst schnell zur dominierenden Kraft in einem neuen Parlament zu machen. Unklar ist indes, ob der Präsident zur vorzeitigen Auflösung eigentlich berechtigt ist und ob ukrainische Parlamentarier seine Entscheidung vor Gerichten anfechten.

Selenskij wurde am Montagvormittag bei strahlendem Sommerwetter ins Amt eingeführt. Nachdem der 41 Jahre alte frühere Satiriker in der Rada, dem ukrainischen Parlament, seinen Amtseid abgelegt hatte, hielt der neue Präsident eine 15 Minuten dauernde Rede. Selenskij nannte die Beendigung des Krieges gegen Russland in der Ostukraine als wichtigstes Ziel.

Selenskij forderte die Regierung zum Rücktritt auf und rief die Abgeordneten auf, drei Gesetzen zuzustimmen, die im Wahlkampf zentrale Forderungen waren: eines über die Aufhebung der Immunität von Parlamentariern vor Strafverfolgung; eines, das die Strafverfolgung von Amtsträgern, die durch Korruption oder Amtsmissbrauch illegal zu Vermögen kamen, möglich macht; sowie ein Wahlgesetz, das offene Wahllisten ermöglicht und so den Kauf von Parlamentssitzen durch Hinterzimmerdeals erschweren soll. "Dafür haben Sie zwei Monate Zeit. Tun Sie es, heften Sie sich dafür Medaillen an. Es ist kein schlechter Zug vor einer vorgezogenen Neuwahl: Ich löse die Rada der 8. Amtsperiode auf", kündigte Selenskij an.

Die Beendigung des Krieges in der Ostukraine nennt er als wichtigstes Ziel

Nach seiner Rede und einer Zeremonie als neuer Oberkommandierender empfing Selenskij Staatsgäste aus 60 Ländern. Am Abend wollte er mit dem Parlamentspräsidenten und Fraktionsführern die vorzeitigen Neuwahlen im Detail besprechen. Laut einem Entwurf des Erlasses will sich der neue Präsident bei der Auflösung des Parlaments auf einen Verfassungsartikel berufen, der einen solchen Schritt erlaubt, wenn es keine arbeitsfähige Regierungskoalition mehr gibt.

Dies ist aus Sicht Selenskijs der Fall, da drei von ursprünglich fünf Parlamentsfraktionen die Regierungskoalition schon vor Jahren verließen. Doch Ex-Präsident Poroschenko und dem zur Poroschenko-Fraktion gehörenden Parlamentspräsidenten zufolge wurde die Koalition erst am Freitag vergangener Woche aufgelöst: Seitdem laufe eine 30-Tages-Frist zur Bildung einer neuen Regierungskoalition, während der der Präsident das Parlament nicht auflösen dürfe. So ihre Position.

Doch nach Selenskijs Ankündigung erklärten mehrere Parlamentarier - darunter der Vize-Chef der Poroschenko-Fraktion, Ihor Kononenko, - ihre Zustimmung zu Auflösung und Neuwahl. Ob diese Zustimmung ernst gemeint ist oder nur ein Manöver, um nicht als Gegner des populären neuen Präsidenten zu erscheinen, ist offen. Dem Kiewer Rasumkow-Zentrum zufolge misstrauen vier von fünf Ukrainern dem Parlament.

Gleichwohl könnten Parlamentarier vor dem Obersten Verwaltungsgericht oder vor dem Verfassungsgericht klagen - dieses galt bisher als vom Poroschenko-Lager dominiert. Die Sekretärin der Zentralen Wahlkommission, Natalja Bernatzkaja, erklärte allerdings: "Wenn der Wahlkampf begonnen hat, kann ihn keinerlei Gerichtsentscheidung mehr anhalten." Sobald der Präsidialerlass zur Parlamentsauflösung veröffentlicht sei, "befinden wir uns vom folgenden Tag an im Wahlkampf".

Setzt sich Präsident Selenskij durch, so wird das Parlament dem Entwurf des Erlasses zufolge am 14. Juli neu gewählt. Die neue Partei Selenskijs, "Diener des Volkes", existiert bisher fast nur auf dem Papier, doch einer aktuellen Umfrage zufolge sollen 40 Prozent der Wähler bereit sein, für sie zu stimmen. Auch die Partei "Vaterland" von Ex-Ministerpräsidentin Julia Timoschenko und die prorussische Oppositionsplattform dürften im neuen Parlament sitzen. Beide Parteien haben etliche Stammwähler.

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