Ukraine-Krieg:Waffenlieferungen an die Ukraine nehmen deutlich zu

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Russische "MiG-29" der polnischen Luftwaffe - solche Kampfflugzeuge will die Slowakei nun an die Ukraine abtreten. (Foto: Alik Keplicz/AP)

Das Eis ist gebrochen: Immer mehr Nato-Mitglieder versorgen die Ukraine mit schwerem Gerät. Auch sowjetische Kampfjets aus der Slowakei sind erneut im Gespräch. Im Hintergrund wirken die USA.

Von Matthias Kolb, Brüssel

Die Slowakei ist bereit, ihre sowjetischen Kampfflugzeuge vom Typ MiG-29 an die Ukraine abzugeben, damit diese sich besser gegen die russische Invasion verteidigen kann. Nachdem Premier Eduard Heger diese Überlegung in einer Pressekonferenz mit Belgiens Regierungschef Alexander De Croo formuliert hatte, sprach Heger in einem Interview mit Politico von "einer sehr intensiven Diskussion" mit den USA und anderen Verbündeten darüber, wie der eigene Luftraum gesichert werden könnte. Die Slowakei soll 2024 US-Jets vom Typ F-16 erhalten und verlangt Sicherheitsgarantien.

Laut Heger, der mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gerade in der Ukraine war, können die MiG-29 ohne Einzelteile aus Russland nicht gewartet werden, doch sein Land wolle eine solche "Beziehung" nicht. Zudem hätte die Regierung in Kiew um Flugzeuge sowie Haubitzen vom Typ Zuzana gebeten. "Wenn dieses Material irgendwo nützlich ist, dann in der Ukraine", sagte Heger der Zeitung Sme. Die EU müsse der Ukraine helfen, "bis sie gewinnt".

So kehrt eine Debatte zurück, die Nato und EU schon vor einem Monat intensiv beschäftigte. Damals hatte Polen angeboten, seine MiG-29 abzugeben und wollte sie über den US-Stützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz an die Ukraine liefern lassen. Das US-Verteidigungsministerium lehnte dies umgehend ab, weil die Atommacht Russland die Lieferung von Kampfjets an die Ukraine durch ein Nato-Mitglied als Eskalation auffassen könnte. Eine direkte Konfrontation mit Moskau will das Verteidigungsbündnis unbedingt vermeiden, daher gilt die Lieferung von MiG-29 anders als die von Panzern als zu riskant.

Unterdessen wird Kiew weiter mit schwerem Gerät unterstützt. Bei seinem Besuch in Kiew sicherte der britische Premier Boris Johnson 120 gepanzerte Fahrzeuge zu und weitere Antischiffraketen. Kurz davor hatte London bereits Militärhilfe im Wert von knapp 120 Millionen Euro zugesichert: 800 Panzerabwehrwaffen, lenkbare Präzisionsmunition sowie moderne Luftabwehrraketen vom Typ Starstreak mit einer Reichweite von sieben Kilometern. Diese ergänzen das sowjetische Luftabwehrsystem S-300, das mehr als 100 Kilometer weit reicht. Ein solches hat die Slowakei gerade der Ukraine geschenkt. In der Nato verfügen noch Bulgarien und Griechenland über S-300 -Systeme. Auch hier dürften die USA freundlichen Druck ausüben.

USA berichten von "einigen Ländern", die der Ukraine Panzer überlassen

Für die in den nächsten Wochen befürchtete russische Großoffensive in der Ostukraine fordert Kiew neben Hunderten gepanzerter Fahrzeuge auch Kampfpanzer - und erhält diese offenbar auch. Ein Beamter des US-Verteidigungsministeriums sprach in der Nacht auf Dienstag von "Panzern, die von einigen Ländern an die Ukraine geliefert worden" seien. Dabei handele es sich vor allem um Gerät, das ukrainische Soldaten bereits kennen und reparieren können, und das in ost- und mitteleuropäischen Ländern in großer Stückzahl vorhanden ist. Dem Vernehmen nach sind die USA bereit, diese Systeme durch neues Material zu ersetzen - und zwar zügig.

Bekanntestes Beispiel sind die Kampfpanzer vom Typ T-72, deren Lieferung Tschechien Anfang April bekannt gab. Was dieser Schritt bedeutet, zeigt ein Kommentar von Litauens Vizeverteidigungsminister Margiris Abukevicius in der Washington Post: "Es ist schwer, als Erster Panzer zu schicken. Aber wenn jemand das Eis gebrochen hat, wird es viel einfacher." Tschechien ist zudem wie die Slowakei bereit, ukrainisches Gerät zu reparieren. Polen verfügt ebenfalls über zahlreiche T-72-Panzer, aber bestätigt sind entsprechende Übergaben nicht. Militärexperten zufolge würden auch zusätzliche T-64-Modelle der Ukraine helfen. Der Pentagon-Beamte wollte nicht verraten, welche anderen Länder noch Panzer liefern. Er sprach jedoch "von acht bis zehn Flügen", die täglich von den USA in die Region gehen würden, und dass seit Wochen "nahezu ständig" Konvois mit Militärhilfe auf dem Landweg in die Ukraine unterwegs seien.

Details nannte der Beamte des Pentagon nicht, aber bisher gebe es beim Waffentransport kaum Probleme. Neben zahlreichen Panzerabwehrraketen vom Typ FGM-148 Javelin, deren Flugkörper über einen wärmesuchenden Infrarotsensor ins Ziel geleitet werden und moderne Kampfpanzer zerstören können, unterstützen die USA die Ukraine nun auch mit Fluggeräten vom Typ Puma sowie gepanzerten Fahrzeugen. Der Beamte bestätigte zudem, dass ukrainische Soldaten in den USA dafür ausgebildet wurden, Switchblade-Drohnen zu bedienen. Diese können sich auf ein Objekt stürzen und explodieren oder auch in die Lage versetzt werden, selbständig nach Zielen zu suchen.

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