Militär:Wann wird Deutschland zur Kriegspartei?

Militär: Flugabwehrpanzer Gepard der Bundeswehr während einer Übung in Munster, Niedersachsen.

Flugabwehrpanzer Gepard der Bundeswehr während einer Übung in Munster, Niedersachsen.

(Foto: Sven Eckelkamp/IMAGO)

Mit den Waffenlieferungen an die Ukraine hat der Bundestag auch beschlossen, dass dortige Soldaten daran ausgebildet werden. Das könnte heikel sein, sagt ein Gutachten - an dem es selbst wieder Zweifel gibt.

Von Ronen Steinke, Berlin

Deutschland ist einer der wichtigsten Waffenproduzenten der Welt. Mit Waffen aus deutscher Produktion wird rund um den Globus gekämpft. Wenn es eine völkerrechtliche Regel gäbe, wonach der Lieferant von Waffen immer auch automatisch zu einer Partei in dem Konflikt würde, in den er seine Ware liefert, dann wäre Deutschland schon seit Jahren Konfliktpartei.

Aber so ist es nicht. Eine solche völkerrechtliche Regel gibt es nicht. Da sind sich Fachleute weitgehend einig, so steht es auch in einem Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages, das am 16. März erstellt wurde. Das Gutachten handelt von "Rechtsfragen der militärischen Unterstützung der Ukraine durch Nato-Staaten".

In dem Gutachten, das im Internet veröffentlicht ist, steht dann aber ein interessanter Satz. "Erst wenn neben der Belieferung mit Waffen auch die Einweisung der Konfliktpartei beziehungsweise Ausbildung an solchen Waffen in Rede stünde, würde man den gesicherten Bereich der Nichtkriegsführung verlassen."

Dieser Satz hat manche alarmiert. Denn er wirft die Frage auf: Rutscht Deutschland in die Rolle als Konfliktpartei hinein, wenn es einen Schritt weiter geht - und den Abnehmern deutscher Waffen in der Ukraine auch noch beibringt, wie sie diese Waffen bedienen? So ist es derzeit ja geplant, der Bundestag hat am vergangenen Donnerstag mit den Stimmen der Koalition und der Union dafür gestimmt, ukrainische Soldaten auszubilden.

Wichtig ist, wo ausgebildet wird

Um es deutlich zu sagen: Das Gutachten beantwortet diese Frage nicht. Stattdessen folgt dort bloß der Verweis auf ein Interview, das der Bochumer Völkerrechtler Pierre Thielbörger bereits am 13. Februar der Neuen Zürcher Zeitung gegeben hat, und in dem der Professor bei der sehr vorsichtigen Aussage bleibt: Er wolle da keine allgemeine Aussage formulieren. Es bleibe "die Betrachtung des Einzelfalls ausschlaggebend".

Das hat eine Bundestagsabgeordnete der Linkspartei, Żaklin Nastić, nicht davon abgehalten, am Montag eine Sensationsmeldung zu verbreiten: Durch den Bundestagsbeschluss sei Deutschland "zur Kriegspartei" geworden, die Wissenschaftlichen Dienste würden dies sogar "zweifelsfrei" bestätigen. Das Redaktionsnetzwerk Deutschland zitierte Nastić damit.

So steht es nicht in dem Gutachten. Denn so wäre es auch schlicht falsch. Ein weiterer Völkerrechtler, der in dem Gutachten zitiert wird, ist Markus Krajewski, Generalsekretär der deutschen Sektion der International Law Association. Ein "Glanzstück" sei dieses Gutachten nicht, sagt er. Es sei recht knapp gehalten. Ein bisschen oberflächlich. Zur Frage, wann eine Ausbildung fremder Soldaten einen Eintritt als Konfliktpartei bedeute, sagt er aber: Das könne man durchaus beantworten.

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Es komme auf die Geografie an. "Wenn deutsche Soldaten in die Ukraine reisen und dort den Soldaten helfen würden, ihre Ziele zu beschießen, dann würden sie damit an Kampfhandlungen teilnehmen", sagt Krajewski. In einem Präzedenzfall verurteilte der Internationale Gerichtshof im Jahr 1986 die USA, weil sie militärische Ausbilder zu den Rebellen in Nicaragua geschickt hatten. Dies sei ein Verstoß gegen das Interventionsverbot.

Der Verkauf eines Kampfjets liege in einer "rechtlichen Grauzone"

Auf der anderen Seite: Die Absicht der Bundesregierung, ukrainische Soldaten bloß "in Deutschland oder auf Nato-Gebiet" auszubilden, "quasi in Trockenübungen", sei noch kein Problem, sagt Krajewski. Das könne man unmöglich als "Entsendung" eigener kämpfender Verbände fehlinterpretieren.

Unter der Überschrift "Rechtliche Grauzonen" geht das Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste dann noch auf einige interessante Konstellationen ein. Zum Beispiel sei es völkerrechtlich natürlich erlaubt, auch Kampfjets an die Ukraine zu verkaufen. Bei der Lieferung eines Jets aus dem Nato-Gebiet entstehe aber ein "logistisches Problem". Liefern bedeutet nämlich fliegen. Auf dem Radar sehe das für Russland so aus, als stoße ein Kampfjet aus dem Nato-Gebiet zum Krieg hinzu. Das berge das Potenzial für Missverständnisse.

In dem Gutachten heißt es: "Das mag mit ein Grund dafür gewesen sein, dass das Pentagon den polnischen Vorschlag, MiG-29-Kampfjets über den US-Militärstützpunkt Ramstein in die Ukraine zu liefern, abschlägig beschieden hatte." Das ist dann aber keine juristische Regel. Sondern nur eine politische Beobachtung.

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