Rüstungsindustrie:Militärhilfe für die Ukraine kostet Deutschland 15 Milliarden Euro

Rüstungsindustrie: Auf dem Truppenübungsplatz im niedersächsischen Bergen bildet die Bundeswehr ukrainische Soldaten für den Einsatz im "Leopard-2"-Panzer aus.

Auf dem Truppenübungsplatz im niedersächsischen Bergen bildet die Bundeswehr ukrainische Soldaten für den Einsatz im "Leopard-2"-Panzer aus.

(Foto: Bundeswehr/Reuters)

Das Finanzministerium rechnet für die kommenden Jahre insgesamt mit deutlich höheren Ausgaben als geplant.

Von Georg Ismar und Henrike Roßbach, Berlin

Jetzt sind sie da: Die ersten Kampfpanzer aus Deutschland sind diese Woche in der Ukraine angekommen - wie von der Bundesregierung zugesagt, noch vor Ende März. Übergeben wurden 18 Panzer vom Typ Leopard 2, mit Munitions- und Ersatzteilpaketen. Zusätzlich wurden noch 40 Marder-Schützenpanzer geliefert sowie zwei Bergepanzer vom Typ Büffel.

Der streng geheime Transport in das Kriegsgebiet hat also geklappt. Im Umkehrschluss bedeutet diese Nachricht allerdings, dass ebendiese Panzer jetzt in den Beständen der Bundeswehr fehlen - und ersetzt werden müssen. Das kostet Geld, genau wie die Lieferungen von weiterem militärischem Material aus Industriebeständen an die Ukraine. Aus einer Mail des Finanzministeriums an den Haushaltsausschuss des Bundestags von diesem Montag geht nun hervor, dass die Kosten deutlich höher ausfallen werden als geplant.

"Überplanmäßige Verpflichtungsermächtigung" bis 2032

Das Verteidigungsministerium und das Auswärtige Amt hätten eine "überplanmäßige Ausgabe" von bis zu 3,24 Milliarden Euro beantragt, schreibt Florian Toncar (FDP), Parlamentarischer Staatssekretär im Finanzministerium, in der Mail, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Hinzu kommt eine "überplanmäßige Verpflichtungsermächtigung" für die Jahre bis 2032 von bis zu 8,82 Milliarden Euro.

Übersetzt bedeutet das: Dieses Jahr übersteigen die Kosten die Planung um gut drei Milliarden Euro, und für die kommenden Jahre werden fast neun Milliarden Euro mehr eingeplant als ursprünglich vorgesehen. Geplant worden war nämlich nur mit gut zwei Milliarden Euro für dieses und einer Milliarde für nächstes Jahr. Rechnet man die geplanten und die jetzt neu kalkulierten Ausgaben zusammen, kommt man auf insgesamt 15 Milliarden Euro für die Ersatzbeschaffung des Bundeswehrmaterials und die militärische Ausrüstung der Ukraine.

Ein Teil davon soll laut der Mail über die "Globale Mehrausgabe" finanziert werden, eine Art Sparbüchse im Bundeshaushalt für unvorhergesehene Corona- oder Ukraine-Ausgaben. Allerdings sind aus diesem Topf nur noch 1,9 Milliarden Euro für Mehrausgaben verfügbar, plus Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von 466 Millionen. Der Rest soll in diesem und den kommenden Jahren gemeinschaftlich im Haushalt aufgetrieben werden: Toncar macht in seinem Schreiben deutlich, dass die Mehrausgaben in den Etats aller Ressorts eingespart werden müssten.

"Die Unterstützung der Ukraine wird sich voraussichtlich noch über mehrere Jahre erstrecken", heißt es in seiner Mail an die Haushälter. Für die "bedarfsgerechte nachhaltige Ausstattung der ukrainischen Streitkräfte", von der Luftverteidigung über gepanzerte Kettenfahrzeuge bis zur Munition, müssten unverzüglich zahlreiche Beschaffungsverträge abgeschlossen werden, "die Zahlungsverpflichtungen auch für künftige Haushaltsjahre begründen".

Panzer und Haubitzen müssen neu beschafft werden

Für den Einsatz auf den deutschen Panzern sind in den vergangenen Wochen in Niedersachsen 500 ukrainische Soldaten ausgebildet worden. Besonders die Leopard-2-Kampfpanzer wurden in der Ukraine dringend erwartet, da sie im Gefecht gegen russische Panzertruppen als klar überlegen gelten. Sie können auch während der Fahrt schießen, während die russischen T-72-Panzer das eigentlich nur im Stehen können.

"Unsere Panzer sind wie versprochen pünktlich in den Händen unserer ukrainischen Freunde angekommen", sagte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) anlässlich der Lieferung. "Ich bin mir sicher, dass sie an der Front Entscheidendes leisten können." Nun allerdings muss Pistorius sehen, wie rasch bei der Bundeswehr die Lücken geschlossen und neue Leopard-2-Panzer beschafft werden können - Stichwort "überplanmäßige Mehrausgabe". Vor dem gleichen Problem steht der Minister auch mit Blick auf die Panzerhaubitzen 2000, die ebenfalls neu beschafft werden müssen.

Insgesamt soll die Ukraine zwei Bataillone mit Leopard-2-Kampfpanzern bekommen, mindestens 62 Stück - davon eines mit den modernen Panzern vom Typ 2 A6 und eines mit den älteren Modellen vom Typ 2 A4. Beteiligt an der Initiative sind auch Polen, Spanien, Schweden, Portugal, Norwegen und Kanada. Zudem will Deutschland Leopard-1-Kampfpanzer liefern, diese jedoch aus Industriebeständen. Bis zum Sommer sollen 25 Stück geliefert werden, bis Jahresende rund 80, und im Verlauf des kommenden Jahres soll die Zahl auf mindestens 100 Leopard 1 A5 steigen.

Kiew setzt zudem darauf, dass zum Schutz gegen russische Raketenangriffe in den nächsten Wochen drei weitere Luftverteidigungssysteme Iris-T SLM des deutschen Rüstungskonzerns Diehl Defence geliefert werden können. Für Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko ist das System beim Schutz der Hauptstadt essenziell. "Trefferquote 100 Prozent", sagt er. Allerdings kostet das von Deutschland finanzierte System einen dreistelligen Millionenbetrag. Gerade die Lenkflugkörper, die Ziele über einen Infrarotsuchkopf verfolgen und abschießen, sind sehr teuer - Kiew klagt bereits über Nachschubmangel.

Die Bundesregierung sieht sich in Sachen Nachschub allerdings ohnehin bereits in der Pflicht: "Die Entscheidung über die Lieferung eines Waffensystems", schreibt Haushaltsstaatssekretär Toncar, schließe grundsätzlich eine "Folgeverpflichtung" mit ein, das Waffensystem auch in Zukunft "nachhaltig einsatzbereit zu halten".

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