Waffen für die Ukraine:"Das wird einen Unterschied machen"

Besuchertag der Informationslehrübung Landoperationen 2019 in Munster und Bergen - Heer der Bundeswehr - Raketenwerfer M

Der Mehrfachraketenwerfer MARS-II bei einer Übung der Bundeswehr im Jahr 2019.

(Foto: imago images/Chris Emil Janßen)

Helikopter, Haubitzen, Raketenwerfer: Die Ukraine-Kontaktgruppe verspricht neue Waffenlieferungen. Bundesverteidigungsministerin Lambrecht sagt, sie sei "an die Grenze gegangen, was ich leisten kann".

Von Matthias Kolb, Brüssel

Das Treffen der internationalen Kontaktgruppe zur Hilfe für die Ukraine fand zwar im Nato-Hauptquartier statt, aber die Allianz will offiziell wenig damit zu tun haben. Groß ist die Sorge, dass das Verteidigungsbündnis in den Konflikt zwischen der Ukraine und der Atommacht Russland hineingezogen wird. Die Sitzung wurde also von US-Verteidigungsminister Lloyd Austin geleitet, der auch die Ergebnisse präsentierte. 50 Staaten hatten Vertreter geschickt, um vom ukrainischen Verteidigungsminister Oleksij Resnikow zu hören, was Kiew für den Kampf gegen Russland am dringendsten benötigt.

Es gab weitere Zusagen für Waffenlieferungen, etwa von der Slowakei, die Helikopter abtritt. Für die USA sagte Austin die Lieferung von 18 weiteren Haubitzen vom Typ "777" und von Anti-Schiffs-Raketen vom Typ Harpoon zu. Zudem kündigte er an, dass Washington mit Großbritannien und Deutschland zehn Mehrfachraketenwerfer an die Ukraine übergeben werden. Diese hatte besonders dringend um Artilleriesysteme gebeten. Aus den USA kommen vier Systeme, je drei liefern die Partner.

Das Mittlere Artillerieraketensystem (Mars) kann Flugkörper unterschiedlicher Wirkungsweise verschießen - etwa gelenkte Raketen mit GPS-System oder Minenausstoßraketen, die den Vormarsch des Gegners stoppen können. Die Abschussbatterien mit einer Kampfbeladung von zwölf Raketen sind dabei auf Kettenfahrzeuge montiert, die bis zu 50 Stundenkilometer schnell fahren können.

Am Mittwochabend erklärte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD), sie sei "mit dieser Abgabe an die Grenze gegangen, was ich leisten kann, um nicht zu gefährden, dass wir die Landes- und Bündnisverteidigung als Bundeswehr nicht mehr gewährleisten können". Zur Lieferung gehörten auch mehrere Hundert Raketen und Ersatzteile. Mit Mars II können Ziele in mehr als 80 Kilometer Entfernung getroffen werden. Eine entsprechende Lieferung hatte Bundeskanzler Olaf Scholz Anfang Juni im Bundestag angedeutet, damals hatten Regierungskreise noch von vier Exemplaren gesprochen.

Lambrecht kündigte an, dass die Ausbildung noch im Juni beginnen werde und die Mehrfachraketenwerfer "Ende Juli, Anfang August" in die Ukraine geliefert werden können. Die ersten Exemplare der zugesagten Gepard-Flugabwehrpanzer könnten "zeitnah" übergeben werden, sagte Lambrecht. Nach Informationen der SZ plant die Bundesregierung mit der Rüstungsindustrie die Inbetriebnahme einer neuen Produktionsstraße für die Munition des Gepard. Demnach sollen die ersten 15 Panzer noch im Juli an die Ukraine ausgeliefert werden, allerdings nur mit 60 000 Schuss Munition. Diese wurden aus Restbeständen zusammengetragen. Dieser Vorrat würde für etwa 2000 Kampfsituationen ausreichen.

Während sich Minister Resnikow auf Twitter bei allen Teilnehmern für die Unterstützung und die Zusagen bedankte, wurden Verteidigungsminister Austin und US-Generalstabschef Mark Milley von Reportern mit der Kritik anderer ukrainischer Politiker konfrontiert, die westlichen Rüstungshilfen seien nicht ausreichend und kämen zu langsam. Austin, ein ehemaliger Top-General, sagte: "Wenn man mitten im Kampf steckt, dann kann man nie genug bekommen, und man kann es nie schnell genug bekommen." Er versicherte, die USA täten aber "alles Menschenmögliche", um die Ukraine mit allem zu versorgen, was sie bräuchte, und forderte die Nato-Partner auf, die Ukraine so lange zu unterstützen, wie dies nötig sei. Laut Generalsekretär Jens Stoltenberg will die Allianz beim Gipfel in Madrid ein umfangreiches Paket für Kiew beschließen.

"Beträchtliche Anzahl von Zielen ausschalten"

US-Generalstabschef Milley betonte, dass die Mehrfachraketenwerfer, die nun an Kiew geliefert würden, sehr präzise und dadurch sehr effektiv seien. "Wenn sie die Waffe richtig benutzen und sie richtig einsetzen, sollten sie in der Lage sein, eine beträchtliche Anzahl von Zielen auszuschalten - und das wird einen Unterschied machen," sagte Milley. Er bezeichnete die Artillerietechnik der Ukrainer als deutlich besser als die des Gegners.

Um die Ukraine mit Munition zu versorgen, bemüht sich die Bundesregierung auch um Nachschub für die Haubitzen aus alten Ostblock-Beständen, die 152-Millimeter-Granaten verschießen. Die Nato-Mitglieder verfügen nur über Munition mit ihrem Standardmaß von 155 Millimetern. Auf Nato-Gebiet steht die einzige Munitionsfabrik für Granaten mit einem Kaliber von 152 Millimeter im bulgarischen Sopot beim Hersteller VMZ. Nach SZ-Informationen fahndet die Bundesregierung vor allem in Ostdeutschland nach alten Gussformen, die in DDR-Zeiten für die Herstellung der 152-Millimeter-Munition benutzt worden waren.

Im Vergleich zum ersten Treffen der Kontaktgruppe, das Ende April auf dem US-Stützpunkt in Ramstein stattgefunden hatte, äußerte sich Austin zurückhaltender. In Rheinland-Pfalz hatte er erklärt, dass Russland nach dem Krieg gegen die Ukraine "geschwächt" sein müsse. Angesprochen auf diese auch in Europa als provokativ aufgenommene Aussage, sagte der Verteidigungsminister, das Ziel der USA sei eine "demokratische, unabhängige, souveräne und wohlhabende Ukraine", die über alle Mittel verfüge, ihr Territorium zu verteidigen. Dem dürfte in der Nato niemand widersprechen.

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