Diesmal gab es keinen sichtbaren Eklat. Diesmal ist der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij nicht vor laufenden Kameras gedemütigt worden. Die Folgen für die Ukraine aber sind potenziell noch gravierender, noch verheerender als der Hinauswurf Selenskijs aus dem Weißen Haus Ende Februar.
Zwei Stunden lang hat US-Präsident Donald Trump am Montag mit Kremlchef Wladimir Putin telefoniert. Danach informierte er Selenskij sowie mehrere europäische Politiker, unter ihnen Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU), über das Ergebnis. Es würden „unverzüglich“ Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine aufgenommen, verkündete Trump. Das klang nach einem Erfolg. Am Tag danach aber waren sich die meisten Europäer einig: Ein Erfolg war das Telefonat nur für den Russen.
Trump wollte sich offenbar schon komplett aus den Verhandlungen verabschieden
„Wladimir Putin spielt offenbar weiter auf Zeit“, sagte der deutsche Verteidigungsminister, Boris Pistorius (SPD). Eine Waffenruhe zu akzeptablen Bedingungen sei nicht absehbar. Allerdings hat Trump offenbar auch nichts getan, um seiner eigenen Forderung nach einer bedingungslosen 30-tägigen Waffenruhe Nachdruck zu verleihen. Die Hoffnung von Kanzler Merz und weiteren europäischen Staatsführern, Putin gemeinsam mit Trump unter Druck setzen zu können, erfüllte sich in keiner Weise.
Im Anschluss an sein Telefonat machte Trump den Europäern nach SZ-Informationen klar, dass er weitere Sanktionen gegen Russland strikt ablehnt. Auch im US-Senat vorbereiteten neuen Sanktionen erteilte er eine deutliche Absage. Zwischenzeitlich war Hoffnung gekeimt, der US-Präsident verliere die Geduld mit Putin. Nun gewannen die Europäer den Eindruck, Putin habe Trump wieder auf seine Seite gezogen.

Im Gespräch mit Merz, Selenskij, dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron, der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sowie dem finnischen Staatschef Alexander Stubb soll Trump kurz davor gewesen sein, die USA komplett aus den Ukraine-Verhandlungen herauszuziehen. Es sei dann aber gelungen, ihn auf eine US-Teilnahme an „technischen Treffen“ auf unterer Ebene festzulegen, hieß es. Besonders angetan gewesen sei Trump von der allerdings noch unkonkreten Idee einer Vermittlung durch den Vatikan. Selenskij sagte, er hoffe nun auf ein internationales Treffen in der Türkei, der Schweiz oder im Vatikan.
Die EU haben neue Russland-Sanktionen in Kraft gesetzt, am nächsten Sanktionspaket wird bereits gearbeitet
Die EU versucht inzwischen ohne die Unterstützung der USA, einen gewissen Druck auf Russland aufrechtzuerhalten. Putin werde seinen „kolonialen Krieg bis zum Ende fortführen, wenn wir ihn nicht stoppen“, warnte der französische Außenminister Jean-Noël Barrot.
Die EU-Staaten setzen am Dienstag neue Russland-Sanktionen in Kraft. Das mittlerweile 17. Paket mit Strafmaßnahmen zielt insbesondere gegen die sogenannte russische Schattenflotte für den Transport von Öl. Dieses Paket war allerdings schon länger vorbereitet worden und steht nicht in Zusammenhang mit der aktuellen Entwicklung.
Auf die Weigerung Russlands, in seinem Angriffskrieg innezuhalten, soll vielmehr ein 18. Sanktionspaket die Antwort sein. Es soll unter anderem die Wiederaufnahme des Betriebs der Nord-Stream-Gaspipelines verhindern. Zudem sind eine Senkung des Preisdeckels für russisches Öl sowie weitere Sanktionen gegen den russischen Finanzsektor geplant.
Allerdings müsste ein solches Paket einstimmig beschlossen werden und könnte von Ungarn blockiert werden – insbesondere wenn sich Ministerpräsident Viktor Orbán darin von Trump bestärkt sieht. Sowohl in der Ukraine als auch in Europa herrscht überdies die Sorge, dass Trump bestehende Sanktionen zurücknimmt oder eingefrorenes russisches Geld freigibt und gleichzeitig der Ukraine die militärische Hilfe entzieht. Das Weiße Haus versuchte mit dem Hinweis zu beruhigen, Trump habe eine Normalisierung der Handelsbeziehungen mit Russland von einem Friedensabkommen abhängig gemacht.
Auch aus dem Kongress kommt inzwischen Kritik am Umgang des Präsidenten mit Russland
Nach dem Gespräch mit Putin schrieb Trump über die „enormen Möglichkeiten“ für Russland, Geld zu scheffeln – aber erst, wenn das Blutvergießen beendet sei. Der US-Präsident untergräbt seine eigenen Botschaften allerdings immer wieder selbst. Etwa indem er damit droht, sich ganz aus den Friedensverhandlungen zu verabschieden, falls keine Fortschritte erzielt würden. Nach den Telefonaten mit Putin und den Europäern sagte er: „Ich denke, dass etwas geschehen wird. Falls nicht, ziehe ich mich einfach zurück, und sie müssen weitermachen.“
Im Kongress werden nun langsam Stimmen laut, die den Umgang des Präsidenten mit Russland kritisieren. Roger Wicker, republikanischer Vorsitzender des Ausschusses für die Streitkräfte, äußerte sich so deutlich wie noch nie seit Trumps Amtsantritt. Putin müsse als „Aggressor“ und „Kriegsverbrecher“ behandelt werden. „Unsere Verhandler sollten einsehen, dass kein wahres Wort aus Wladimir Putins Mund kommt“, sagte der Senator aus Mississippi. „Er wird nie ein Versprechen einhalten.“