Ukraine:Verdächtig reich

A protester takes part in a rally outside the Constitutional Court building in Kyiv

Klares Statement gegen Korruption: ein Demonstrant vor dem Verfassungsgericht in Kiew.

(Foto: GLEB GARANICH/REUTERS)

Mehrere hohe Richter des Landes haben Vermögen angehäuft und nicht deklariert. Doch Korruptionsermittlungen laufen ins Leere - weil überfällige Justizreformen bislang ausgeblieben sind.

Von Florian Hassel, Warschau

Ukrainische Beamte beziehen oft nur wenige Hundert Euro Gehalt, doch die Familie von Richter Olexander Tupitzkij wohnt trotzdem edel. In Kiew verfügt sie etwa über eine 216 Quadratmeter große Luxuswohnung. Offiziell gehört sie Tupitzkijs Mutter Galina, einer 80 Jahre alten Rentnerin, dies zeigen Recherchen der Investigativprogamme Schemij und Bihus. In der Nähe von Kiew gehört Tupitzkijs Schwiegermutter Larissa neben einem Grundstück des Richters offiziell eine 211-Quadratmeter-Villa. Und auf der besetzten Krim kaufte Tupitzkij ein schönes Grundstück - doch dieses nach ukrainischem Recht illegale Geschäft gab er nicht in seiner Vermögenserklärung an.

Tupitzkij ist Präsident des Verfassungsgerichts. Seine Richterkollegen Serhij Holowatij, Irina Sawhorodnja, Ihor Slidenko und Wolodimir Moisik haben ihre Vermögenserklärungen ebenfalls falsch oder unvollständig ausgefüllt, so die zuständige Behörde NAPC. Und Pawlo Wowk, Chef des Kiewer Bezirksverwaltungsgerichts, leistet sich gut 40 000 Euro teure Malediven-Urlaube - und wird vom Anti-Korruptionsbüro Nabu massiver Korruption, käuflicher Urteile und illegaler Einflussnahme bezichtigt - auch und gerade beim Verfassungsgericht.

Die Richter erklären Strafverfolgung für illegal erworbenes Eigentum schlicht für verfassungswidrig

Die Gründung von Nabu und NAPC gehörte zu den wichtigsten von EU und Internationalem Währungsfonds im Austausch für Milliardenkredite und Visafreiheit verlangten Reformen. Das Verfassungsgericht (KSU) aber, an dem Richter - wie Dokumente aus der Zeit von Präsident Viktor Janukowitsch zeigen - schon früher Dollarmillionen für genehme Urteile angenommen haben sollen, ist unreformiert. Die Richter, die jedes Fehlverhalten bestreiten, antworteten auf Interesse an wundersamem Wohlstand mit Urteilen.

Zuerst erklärte das KSU Strafverfolgung für illegal erworbenes Eigentum für verfassungswidrig. Dann kassierte das KSU ein Gesetz über Strafverfolgung für illegal ergangene Gerichtsurteile ein. Mit zwei weiteren Urteilen wurden die Ernennung des Nabu-Chefs und zentrale Vollmachten der Behörde für verfassungswidrig erklärt; Richter Wowk sekundierte mit einem Urteil zur angeblichen Absetzung des Nabu-Chefs. Und am 27. Oktober entschied das KSU, auch die Pflicht für Vermögenserklärungen für Amtsträger und ihre Kontrolle durch die NAPC seien verfassungswidrig.

NAPC und Nabu müssten so Hunderte Ermittlungen und Anklagen schließen - auch gegen mutmaßlich korrupte Richter. Zudem dürften IWF und EU Milliardenkredite stoppen und die EU die 2017 erteilte Visafreiheit für Ukrainer zurücknehmen, warnte Präsident Wolodimir Selenskij. Er schlug vor, Skandalurteile per Gesetz für "nicht existent" zu erklären und alle Verfassungsrichter zu feuern. Doch laut Verfassung können Verfassungsrichter nur mit Zweidrittelmehrheit ihrer Kollegen abgesetzt werden. Einige Parlamentarier wollen am Verfassungsgericht das für Urteile notwendige Stimmenminimum heraufsetzen - und die Richter an weiteren drohenden Skandalurteilen hindern. Sowohl Selenskij als auch seine Vertreter im Parlament sagten, letztlich werde politisch entschieden, wie die Macht des diskreditierten Gerichts zu brechen sei.

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