Ukraine:Staatenloser Revolutionär

Ukraine: Will zurück in die Ukraine: Michail Saakaschwili.

Will zurück in die Ukraine: Michail Saakaschwili.

(Foto: Gleb Garanich/Reuters)

Nach dem georgischen Pass wurde Michail Saakaschwili nun auch der ukrainische entzogen. Der Ex-Präsident kämpft nun als Staatenloser in den USA um eine Rückkehr in die Heimat.

Von Frank Nienhuysen

Wo soll er jetzt nur hin, ohne Pass? Michail Saakaschwili sitzt irgendwo in den USA und kann nicht zurück. Nicht nach Georgien, nicht in die Ukraine. Der ehemalige georgische Präsident hatte 2015 nach Vorwürfen des Amtsmissbrauchs seine Heimat verlassen und war in die Ukraine gewechselt. Dort wurde er vom ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko, einem Freund aus Kiewer Studentenzeiten, mit ausgebreiteten Armen begrüßt - und einem ukrainischen Pass. Seinen georgischen büßte er dafür ein. Poroschenko machte Saakaschwili zum Gouverneur von Odessa, ehe der im Streit diesen Posten verließ. Nun ist er auch seine ukrainische Staatsbürgerschaft los. Ausgerechnet als Saakaschwili dieser Tage außer Landes gereist ist. Der ehemalige Präsident von Georgien ist jetzt staatenlos.

Poroschenko berief sich auf die ukrainische Migrationsbehörde und sagte, dass sein einstiger Gefährte Saakaschwili bei der Annahme seines ukrainischen Passes verschwiegen habe, dass in Georgien gegen ihn bereits juristische Verfahren eingeleitet waren. Doch an diese Version glauben in der Ukraine nur wenige. Denn Saakaschwili, der hitzköpfige ehemalige georgische Rosenrevolutionär, ist längst zu einem der schärfsten Kritiker des ukrainischen Staatschefs geworden.

"Man versucht mit mir heute das zu tun, was Staatsanwälte und Bürokraten mit normalen Ukrainern machen: auf ihre Rechte zu spucken", sagte Saakaschwili in einem Facebook-Video. Es sei "feige" von Poroschenko, ihm die Staatsbürgerschaft zu entziehen, während er gerade im Ausland sei. "Aber ich werde für meine Rückkehr in die Ukraine kämpfen."

Mehrmals hatte Saakaschwili Poroschenko vorgeworfen, Reformen zu verschleppen und den demokratischen Prozess des Landes zu torpedieren. Stattdessen unterstütze er "banditenartige, kriminelle Clans". Das sind heftige Vorwürfe, aus denen Saakaschwili politisch Kapital schlagen wollte. Er gründete eine "Bewegung der neuen Kräfte", die kürzlich in "Bewegung der neuen Kräfte - Michail Saakaschwili" umbenannt wurde. Für den Herbst kündigte er Straßenproteste an, womöglich um Neuwahlen zu erzwingen. Und das muss für den Staatschef Poroschenko nichts Gutes bedeuten.

Saakaschwili hat zwar einen Ruf als selbstverliebter, sprunghafter Politiker mit einer Bandbreite zwischen entschlossen demokratischen und autoritären Zügen. Aber er zeigte schon in seiner Heimat Georgien Gespür für die Stimmung in der Bevölkerung. Dort vertrieb er in einer Revolution den damaligen unbeliebten Staatschef Eduard Schewardnadse. Saakaschwili weiß, dass Poroschenko derzeit so unbeliebt ist wie nie zuvor. Ein für die Ukrainer spürbarer Wirtschaftsaufschwung lässt auf sich warten, der Einfluss von Oligarchen ist immens, und Poroschenkos beträchtliches Vermögen soll in schweren Zeiten sogar gewachsen sein.

In Kiew reagierten Politiker mit Unverständnis auf den Entzug der Staatsbürgerschaft. Mustafa Nayem, der mit einem Internet-Aufruf einst den Maidan ausgelöst hat und sich trotz seines Abgeordnetenmandats für den "Block Petro Poroschenko" seine innere Unabhängigkeit bewahrt hat, nannte den Passentzug "die größte Dummheit, die man sich nur ausdenken konnte". Julia Timoschenko, Chefin der Vaterlandspartei, sprach von einer "schmutzigen Politik" Poroschenkos, der "unter allen Umständen an der Macht festhält". Die ukrainische Opposition könnte von dem umstrittenen Schritt also profitieren.

Saakaschwili kämpft derweil in der Ferne um seine Rückkehr, aber mit einem ungültigen Pass wird das nicht möglich sein, ohne eine Festnahme zu riskieren. Immerhin dürften die USA ihm bereitwillig Gastrecht gewähren. Diese waren Georgiens engste Verbündete, als Saakaschwili Präsident war. Und im US-Wahlkampf hatte er sogar ausdrücklich auf Donald Trump gesetzt.

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