Militärhilfe für die Ukraine:Keine Rücksicht mehr auf Moskau

Militärhilfe für die Ukraine: Ukrainische Soldaten werden bereits in einzelnen EU-Ländern geschult, derzeit etwa im Umgang mit "Gepard"-Panzern auf einem Übungsplatz in Schleswig-Holstein.

Ukrainische Soldaten werden bereits in einzelnen EU-Ländern geschult, derzeit etwa im Umgang mit "Gepard"-Panzern auf einem Übungsplatz in Schleswig-Holstein.

(Foto: Steffen Kugler/dpa)

Die EU denkt über eine Ausbildungsmission für ukrainische Soldaten nach. Ob Wladimir Putin sich davon provoziert fühlen könnte, spielt keine Rolle mehr.

Von Hubert Wetzel, Brüssel

Die Europäische Union will künftig stärker dabei helfen, ukrainische Soldaten auszubilden. Die Verteidigungsministerinnen und -minister der Union verständigten sich am Dienstag bei einem Treffen in Prag darauf, mit den Planungen für eine entsprechende Mission zu beginnen. Die neue Ausbildungsmission war vor einigen Tagen vom Außenbeauftragten der EU, Josep Borrell, vorgeschlagen worden, um der Ukraine in ihrem Kampf gegen Russland mittel- und langfristig zu helfen. "Es erscheint vernünftig, dass ein Krieg, der dauert und voraussichtlich weiter dauern wird, Anstrengungen nicht nur in Form von Materiallieferung, sondern auch in Form von Ausbildung und von Hilfe bei der Organisation der Streitkräfte erfordert", so Borrell.

Über die Details der Mission wurde zunächst nicht entschieden - zum einen, weil das Treffen in Prag nur informell war, zum anderen aber wohl auch, weil einige EU-Regierungen von der Idee nicht so restlos überzeugt sind wie Borrell. "Wir müssen schnell und ehrgeizig sein", mahnte dieser am Dienstag.

Bisher bilden nur einzelne EU-Länder ukrainische Militärangehörige aus, darunter auch Deutschland. So wurden in den vergangenen Monaten zum Beispiel ukrainische Soldaten von der Bundeswehr im Umgang mit der Panzerhaubitze 2000 geschult. Die Bundesregierung hatte Kiew einige dieser modernen Geschütze geliefert. Allerdings konnten sich weder die EU noch die Nato bislang dazu entscheiden, als Institution eine Ausbildungsmission zu beschließen.

Schulung für Armeen in Afrika, aber nicht in der Ukraine? Nicht nachvollziehbar, findet Borrell

Borrell hatte diese Zurückhaltung vorige Woche offen kritisiert. Es sei nicht nachvollziehbar, dass die EU Armeen in Afrika bei der Ausbildung helfe, aber nicht den Streitkräften der Ukraine, so der EU-Chefdiplomat. Alle Mitgliedsstaaten seien sich einig, dass die verschiedenen Ausbildungsinitiativen koordiniert und aufeinander abgestimmt werden müssten, sagte Borrell am Dienstag.

Dem Treffen in Prag war eine Wende in Berlin vorausgegangen. Die Bundesregierung, aber auch mehrere andere EU-Regierungen hatten sich Anfang des Jahres zunächst dagegen ausgesprochen, dass die Union ukrainische Soldaten ausbildet. Das war vor Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine, und Moskau - so die Berliner Logik - sollte keinen Anlass bekommen, sich provoziert zu fühlen. Diese Rücksichtnahme hat sich mit dem russischen Überfall offensichtlich erledigt. Am Dienstag stellte sich auch die deutsche Vertreterin bei dem Treffen in Prag, Verteidigungsstaatssekretärin Siemtje Möller, hinter die EU-Mission. Es sei "klar", dass die Ukraine diese Unterstützung benötige, sagte Möller. Deutschland könne zum Beispiel bei der Ausbildung in den Bereichen Luftverteidigung, Artillerie und Minenräumung helfen.

Ausgeschlossen ist nach Aussage Möllers allerdings, dass die EU-Ausbildungsmission auf ukrainischem Boden stattfindet. Das würde nicht nur europäische Soldaten der Gefahr aussetzen, von der russischen Armee beschossen zu werden. Sondern es würde auch Moskaus Propagandalüge befeuern, wonach Russland in der Ukraine eine Invasion durch EU und Nato abwehren müsse. Wie bisher werden die ukrainischen Soldaten daher in den einzelnen EU-Ländern geschult werden. Da sie dort an westlichen Waffensystemen und nach den in der Nato und der EU üblichen Militärstandards und -doktrinen ausgebildet werden, wird die ukrainische Armee so Schritt für Schritt an die transatlantischen Verteidigungsinstitutionen herangeführt.

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