Krieg in der Ukraine:Man bleibt unter sich

Lesezeit: 2 Min.

„Krise“ nennt der philippinische Präsident den Krieg in der Ukraine: Ferdinand Marcos Jr. (re.) am Montag mit Wolodimir Selenskij in Manila. (Foto: Ukrainisches Präsidialamt/AFP)

China hat bereits abgesagt und angeblich auch Saudi-Arabien: Der für Mitte Juni geplanten Ukraine-Konferenz in der Schweiz drohen wichtige Akteure abhandenzukommen.

Von Nicolas Freund

Wie wichtig diese Konferenz für die Ukraine ist, zeigt schon die Reiseroute von Wolodimir Selenskij in den vergangenen Tagen: Nach einem Treffen mit den Staatschefs der skandinavischen Länder in Stockholm reiste der ukrainische Präsident weiter nach Singapur zum Sicherheitsforum Shangri-La-Dialog, um dort unter anderem bei asiatischen Ländern für die Teilnahme bei der Friedenskonferenz in der Schweiz Mitte Juni zu werben. Anschließend traf er den Premierminister Singapurs, Lawrence Wong, und den philippinischen Präsidenten Ferdinand Marcos Junior. Dieser sprach bei dem Treffen von einer „Krise“ in der Ukraine, nicht von einem Krieg.

Obwohl die Philippinen Kiew grundsätzliche Unterstützung bei den Friedensbemühungen und eine Teilnahme an der Konferenz in der Schweiz zugesagt haben, ist das ein kleiner, aber entscheidender Hinweis darauf, wie der Krieg zwischen Russland und der Ukraine in weiten Teilen der Welt gesehen wird: Nämlich auch als geopolitischer Balanceakt, bei dem es gilt, zwischen dem Westen sowie den Verbündeten und Freunden Moskaus Position zu beziehen. Deshalb ist die Teilnahme möglichst vieler Länder, auch aus Asien, Südamerika und Afrika, für die Konferenz entscheidend, um den dort getroffenen Beschlüssen Gewicht und Einfluss bis nach Moskau zu verleihen. Besonders China, Indien, Brasilien, Südafrika und Saudi-Arabien wird ein solcher Einfluss zugeschrieben.

80 Staaten haben offenbar zugesagt, darunter Indien

Mit China hat nun aber schon der wichtigste Freund Moskaus die Teilnahme abgesagt. Peking begründete am Freitag den Schritt damit, dass eine Teilnahme und Akzeptanz Russlands fehlten. Russland ist zu der Konferenz nicht eingeladen. Am Sonntag meldete dann die Deutsche Presse-Agentur, aus „Diplomatenkreisen in Riad“ sei zu erfahren gewesen, Saudi-Arabien wolle ebenfalls nicht an dem Gipfel teilnehmen. Auch eine angeblich geplante Reise Selenskijs in das Königreich soll verschoben worden sein. Das Schweizer Außenministerium teilte auf Nachfrage der Süddeutschen Zeitung mit, bisher keine offizielle Absage Saudi-Arabiens erhalten zu haben. Es sei derzeit unklar, „ob und auf welcher Stufe Saudi-Arabien und Brasilien an der Konferenz teilnehmen werden“. 80 Staaten hätten bereits zugesagt, darunter auch Indien. Eine offizielle Liste wurde bislang nicht veröffentlicht.

Die Schweizer Bundespräsidentin Viola Amherd sagte der SZ im Mai in einem Interview, es sei die Idee der Konferenz, „eine Plattform zu schaffen, damit überhaupt Gespräche stattfinden können, über einen dauerhaften und gerechten Frieden in der Ukraine“. Im Juni könne ohne Russland natürlich kein Friedensvertrag geschlossen werden. Im Raum steht deshalb eine mögliche zweite Konferenz, die dann nicht in der Schweiz stattfinden soll, sondern an einem anderen Ort und dann auch mit Teilnahme Russlands.

Wer nimmt die zukünftige Vermittlerrolle ein?

Naheliegend für die Ausrichtung einer solchen, womöglich entscheidenden Folgekonferenz wären die Länder, die sich zuletzt zumindest öffentlich um eine neutrale Position zum Krieg in der Ukraine bemüht hatten – unter anderem waren das Brasilien und Saudi-Arabien. Ob Indien bereit und fähig ist, eine zukünftige Vermittlerrolle einzunehmen, ist völlig unklar. In jedem Fall müssten aber die Länder, die nun abgesagt haben, erst mit an den Tisch geholt werden.

Vermutlich muss dann ein ganz neues Format gefunden werden – eine Konferenz, die auf dem Treffen in der Schweiz aufbaut, ohne dass eine ganze Reihe entscheidender Akteure daran teilgenommen hat, ist nur schwer vorstellbar. Denn derzeit sieht es danach aus, als würden am 15. und 16. Juni am Vierwaldstättersee vor allem diejenigen miteinander beraten, die sich ohnehin schon ständig zum Thema Ukraine austauschen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Krieg in der Ukraine
:Gruppenbild mit Seenlandschaft

Die Einladungen sind raus: Mitte Juni richten Schweiz und Ukraine eine Friedenskonferenz aus. 160 Länder sind zur Teilnahme aufgerufen - nicht jedoch Russland. Für die Schweiz geht es um ihren internationalen Ruf, für die Ukraine vor allem um gute Bilder.

Von Stefan Kornelius und Isabel Pfaff

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: