Süddeutsche Zeitung

Ostukraine:Ukraine und Russland planen Waffenruhe

Eine Feuerpause in der Ostukraine gilt als Bedingung für ein neues Gipfeltreffen der Konfliktparteien. Besonders für den ukrainischen Präsidenten Selenskij sind Fortschritte im Friedensprozess ausgesprochen wichtig.

Von Frank Nienhuysen

Im Konfliktgebiet in der Ostukraine soll eine baldige Waffenruhe neue Fortschritte im Friedensprozess ermöglichen. Verhandler der Ukraine, Russlands und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) einigten sich auf eine "vollkommene und umfangreiche Feuerpause", die in der Nacht von Sonntag auf Montag in Kraft treten soll. Die Einhaltung einer solchen Waffenruhe wäre eine wichtige Voraussetzung für ein neues Gipfeltreffen, an dem der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij, sein russischer Kollege Präsident Wladimir Putin sowie als Vermittler Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron teilnehmen würden.

Im vergangenen Dezember hatte in Paris ein solches Treffen erstmals mit dem ukrainischen Präsidenten Selenskij stattgefunden, der nach seiner Wahl den Friedensprozess neu beleben wollte. Ein bereits für das Frühjahr geplanter Folgegipfel in Berlin hat sich jedoch immer wieder verzögert.

Zu den wichtigsten Punkten der vereinbarten Waffenruhe gehört ein Verbot jeglicher "Angriffsaktivitäten" und der Einsatz "beliebiger fliegender Apparate", also Drohnen. Auch dürfen keine schweren Waffen in besiedelten Ortschaften und ihrer Umgebung aufgestellt werden. Um die Waffenruhe wahrscheinlicher und effizienter zu machen, darf im Falle eines Verstoßes ein Feuer nur dann erwidert werden, wenn dies auf höchster Kommandoebene genehmigt wird.

In der Vergangenheit wurden Feuerpausen immer wieder gebrochen

In den vergangenen Jahren waren schon des Öfteren Waffenruhen ausgehandelt worden, die jedoch immer wieder gebrochen wurden. Täglich berichtet die unbewaffnete OSZE-Mission SMM von Verstößen. In dem schon seit sechs Jahren andauernden Konflikt zwischen prorussischen, von Russland unterstützten Separatisten und ukrainischen Regierungstruppen sind nach Angaben der Vereinten Nationen in den vergangenen Jahren mehr als 13 000 Menschen getötet worden.

Zu den wenigen greifbaren Fortschritten gehörten immer wieder der Austausch größerer Gefangenengruppen, doch Kernpunkte der Minsker Friedensvereinbarungen aus dem Jahr 2015 sind bisher nicht erfüllt. Nach wie vor hat die Regierung in Kiew keinerlei Kontrolle über die ukrainisch-russische Grenze, über welche die Separatisten nach Ansicht Kiews Unterstützung aus Russland erhalten.

Die ukrainische Führung hält es auch nicht für möglich, dass unter den jetzigen Bedingungen in den abtrünnigen Rebellengebieten von Donezk und Luhansk überhaupt freie und faire Wahlen nach internationalen Standards stattfinden können. Für die übrigen ukrainischen Gebiete sind kommunale Abstimmung für den 25. Oktober angesetzt. Moskau wiederum wirft Kiew vor, den separatistischen Gebieten einen Sonderstatus zu verwehren und drängt Kiew zu entsprechenden Gesetzen.

Wirtschaftssanktionen der EU gegen Russland verlängert

Die Europäische Union hatte erst vor wenigen Wochen die Wirtschaftssanktionen gegen Russland um ein halbes Jahr verlängert. Erst wenn es einen Durchbruch bei den Minsker Vereinbarungen gibt, dürfte sich diese Haltung vermutlich ändern.

Für den ukrainischen Präsidenten Selenskij sind Fortschritte immens wichtig. Er hatte vor seiner Wahl im vorigen Jahr angekündigt, den Krieg im Osten des Landes zu beenden.

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SZ vom 24.07.2020/liv
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