Süddeutsche Zeitung

Ukraine-Krise:Jetzt verhandeln Blinken und Lawrow selber

Nachdem Russland einem Treffen der Außenminister am Freitag zugestimmt hat, gibt man sich in Washington vorsichtig optimistisch. Die Verhandlungen zielen nun zunehmend auf eine Fortsetzung des Friedensprozesses in der Ukraine.

Von Stefan Kornelius

Nach massiven diplomatischen Anstrengungen haben die Außenminister der USA und Russlands für Freitag ein Treffen über die Krise in der Ukraine verabredet. Tony Blinken und Sergej Lawrow wollen in Genf über die russischen Drohungen gegenüber der Ukraine und über die Forderung nach weitreichenden Sicherheitsbedingungen sprechen. Wie das US-Außenministerium in Washington mitteilte, wird Blinken bereits am Mittwoch in der Ukraine eintreffen und am Donnerstag in Berlin erwartet. Dort wird er neben Außenministerin Annalena Baerbock und anderen Vertretern der Bundesregierung auch die Außenminister Frankreichs und Großbritanniens sprechen.

Die Ankündigung aus Washington beendete einen Tag hektischer diplomatischer Anstrengungen, an dem nicht nur Baerbock den russischen Außenminister getroffen hat, sondern auch ein Telefonat zwischen Blinken und Lawrow den Ausschlag für das spontan anberaumte Treffen in Genf gab. Hochrangige diplomatische Kreise in Washington zeigten sich vorsichtig optimistisch, erneuerten aber auch ihre Drohungen, sollte Russland eine Militäroffensive gegen die Ukraine starten.

Aus Moskau sind inzwischen neue Töne zu hören

Der neue russische Ton hatte sich bereits nach dem Treffen Lawrows mit Baerbock abgezeichnet. Lawrow betonte mehrfach, dass zur Lösung des Konflikts Verhandlungen geführt werden müssten. Damit rückte Russland von seiner Forderung ab, wonach die USA und ihre Verbündeten in Europa bedingungslos zwei Verträge unterzeichnen und weitgehende Sicherheitsforderungen Moskaus erfüllen sollten.

Blinken hatte bereits eine Reise nach Kiew und Berlin geplant, um sich mit der ukrainischen Führung und den Verbündeten in Europa über die nächsten Schritte abzustimmen. Ursprünglich hatte die US-Seite zugesichert, bis Ende der Woche eine schriftliche Offerte über mögliche Verhandlungen an Moskau zu richten. Ob dieses Angebot nun hinfällig ist, blieb zunächst offen. Im US-Außenministerium hieß es, man werde das Gespräch am Freitag in Genf abwarten und dann entscheiden.

Der Besuch in Berlin dient der Einbindung der europäischen Verbündeten. Die USA betonten erneut, dass sie keine Entscheidung über die Nato oder die Ukraine fällen würden, ohne im Einklang mit den Partnern zu sein. Auf die Frage, ob man wegen der gespaltenen Haltung der SPD Zweifel an der deutschen Entschlossenheit habe, hieß es im State Department, Deutschland habe sich in allen Erklärungen der Alliierten klar positioniert. Es gebe keine Zweifel an der Entschlossenheit.

Der Minsker Friedensprozess kommt auf die Agenda

Zunehmend wird deutlich, dass nun der zerrüttete Friedensprozess für den Donbass, der sogenannte Minsker Prozess, in den Mittelpunkt der Verhandlungen rückt. Lawrow machte gegenüber Baerbock und offenbar auch gegenüber Blinken klar, dass er die ukrainische Regierung als Urheberin von Provokationen im Osten des Landes erachte und verlange, dass die USA Präsident Wolodymyr Selensky zur Ordnung rufen.

Als positives Zeichen wurde in Washington gewertet, dass Lawrow nun in die Krise eingebunden sei und selbst die Gespräche führe. Bisher war sein Stellvertreter Sergej Rjabkow das diplomatische Gesicht der Krise. In der bislang letzten Verhandlungsrunde vor einer Woche in Genf ließ er keine Bewegungsmöglichkeit erkennen. Lawrows Auftritt zeigt nun, dass Diplomatie wohl doch nicht aussichtslos sein könnte. Von russischer Seite gab es zunächst keine Bewertung der neuen Verhandlungsrunde. In Washington wurde darauf verwiesen, dass die Signale nach wie vor widersprüchlich seien. Es sei zu früh, von einer Entspannung zu sprechen.

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