Süddeutsche Zeitung

Ukrainekonflikt:Russland und Ukraine wieder im Gespräch

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Vertreter beider Länder treffen sich erstmals nach Wiederaufflammen des Konflikts im Normandie-Format. Deutschland und Frankreich hoffen in Paris auf eine diplomatische Lösung.

Von Silke Bigalke, Moskau

In Paris haben sich politische Berater aus Russland und der Ukraine getroffen, um über eine Lösung im Ukraine-Konflikt zu verhandeln. Das Gespräch fand im Normandie-Format statt, an dem auch deutsche und französische Vertreter beteiligt sind. Bereits die Tatsache, dass beide Seiten miteinander sprechen, während Russland weiterhin Truppen nahe der ukrainischen Grenze zusammenzieht, werteten die Beteiligten als positives Zeichen.

Nach achtstündigen Gesprächen erklärte der russische Verhandlungsführer Dmitrij Kosak am Mittwochabend, dass Kiew nun zwei Wochen Zeit habe, eine Position zu erarbeiten. Kosak kritisierte, dass die Regierung humanitäre Anfragen und anderen Kontaktversuche aus der Ostukraine ablehnend oder gar nicht darauf reagiere. Kiew habe keine Perspektive für die umkämpften Teile der Regionen Donezk und Lugansk vorgelegt, so der Moskauer Unterhändler. "Sie finden nirgends eine klare Position", sagte Kosak. Ein neuer Gipfel unter deutsch-französischer Vermittlung werde nur möglich, wenn es vorher Einigung über den geplanten rechtlichen Status der Separatistengebiete und über die Abhaltung von Wahlen dort gebe, so Kosak.

Der Kiewer Unterhändler Andrij Jermak bestätigte, dass es erhebliche Meinungsdifferenzen zwischen Moskau und Kiew gebe. Zugleich begrüßte er: "Wir sehen, dass die Waffenruhe funktioniert, es gibt ein paar Provokationen, aber sie funktioniert." In zwei Wochen soll es in Berlin eine weitere Verhandlungsrunde geben. Deutschland und Frankreich vermitteln in dem seit 2014 andauernden Konflikt. Nach UN-Schätzungen wurden bei Kämpfen im Donbass seither mehr als 14 000 Menschen getötet.

Der Kreml stellt die Situation seit Monaten so dar, als bedrohe Kiew durch sein Verhalten Russlands Sicherheit. Derweil hat das Land rund 100 000 russische Soldaten unweit der Ukraine zusammengezogen. Auf Beraterebene gab es im Januar bereits zwei Treffen, allerdings getrennt mit der Ukraine und mit Russland. Die Regierungschefs der vier beteiligten Staaten trafen sich zuletzt Ende 2019 im Normandie-Format.

Moskau dringt auf die Umsetzung des Minsker Abkommens

Ziel dieses Formats ist es, das Minsker Abkommen von 2015 umzusetzen, das damals den Konflikt in der Ostukraine beenden sollte. Vor allem darüber, in welcher Reihenfolge die vereinbarten Maßnahmen umgesetzt werden sollen, streiten Kiew und Moskau seither. Es geht etwa darum, unter welchen Umständen Wahlen in den Separatistengebieten stattfinden könnten. Damit zusammen hängt auch, dass Russland seine Beteiligung an dem Konflikt leugnet. Obwohl es die Separatistengebiete praktisch kontrolliert, stellt das Land sich selbst lediglich als Vermittler dar.

Moskau dringt auf eine Umsetzung des Abkommens in seinem Sinne und ist unzufrieden, weil der Prozess seit Jahren stockt. Am Mittwoch deutete der russische Außenminister Sergej Lawrow an, dass weder die Europäische Union noch die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa für ihn noch eine Rolle bei der Lösung des Konflikts spielten. "Wir werden nicht zulassen, dass unsere Projekte in endlose Diskussionen verwickelt werden", sagte Lawrow vor der russischen Staatsduma und sprach von "Versuchen, dieses ganze Thema an die OSZE abzuwälzen, oder durch hartnäckige Aufrufe der Europäischen Union, auch für sie einen Platz bei diesen Diskussionen zu finden".

Wenn es um die Ukraine geht, ist Washington aus russischer Sicht nun der wichtigste Ansprechpartner. Dorthin hat der Kreml im Dezember praktisch unannehmbare Forderungen geschickt, etwa Garantien dafür, dass die Nato sich nicht weiter Richtung Osten ausdehnt. Lawrow hatte erklärt, von den schriftlichen Antworten der Amerikaner auf diese Vorschläge hänge ab, wie sich Russland weiter verhalte. Diese Antworten hat die US-Regierung nun am Mittwochabend in Moskau überreicht. Den Kernforderungen des Kreml hat sie dabei erneut eine Absage erteilt.

Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock warnte derweil vor einer Spaltung des Westens. "Unsere stärkste Waffe ist und bleibt unsere Einigkeit. Wir müssen den Druck, den wir gemeinsam aufgebaut haben, wirken lassen", sagte die Grünen-Politikerin am Mittwoch in Berlin.

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