Cyberangriffe in Ukraine-Krise:EU könnte "versehentlich" getroffen werden

Cyberangriffe in Ukraine-Krise: Arne Schönbohm, Präsident Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik .

Arne Schönbohm, Präsident Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik .

(Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Die Ukraine meldet zuletzt wieder mehr Hackerangriffe, zuletzt aufs Verteidigungsministerium. BSI-Chef Arne Schönbohm warnt vor Kollateralschäden in Westeuropa.

Von Christoph Koopmann, München

Internationale Fachleute für IT-Sicherheit warnen vor einer wachsenden Bedrohung Europas und anderer westlicher Staaten durch Hackerangriffe. "Wir haben in einigen Bereichen des digitalen Raums seit Kurzem Alarmstufe Rot", sagte der Präsident des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Arne Schönbohm, am Donnerstag bei der "Munich Cyber Security Conference". Den Konflikt zwischen der Ukraine beziehungsweise der Nato und Russland nannte Schönbohm zwar nicht wörtlich, doch er warnte in Bezug auf Cyberangriffe: "Wir sehen im Moment bei, sagen wir, Konflikten außerhalb der EU, dass sie sich in die EU verlagern können." Wenn auch möglicherweise nur "versehentlich", sagte Schönbohm, wenn Schadsoftware sich über Grenzen hinweg ausbreite.

In den vergangenen Monaten wurde die Ukraine immer wieder Ziel von Hackerattacken, die Verantwortung gibt die Regierung regelmäßig Russland. Belege, wer die Angreifer tatsächlich sind, gibt es jedoch kaum. Margaritis Schinas, Vizepräsident der EU-Kommission, sagte am Donnerstag, derzeit "sehen wir jeden Tag Cyberangriffe auf unser Gebiet". Er verwies darauf, dass erst vergangene Woche beinahe fünf Millionen Vodafone-Kunden in Portugal wegen eines Angriffs tagelang nicht oder nur eingeschränkt telefonieren konnten, zeitweise fiel der Notruf aus. In mehreren EU-Staaten seien in den vergangenen Monaten auch Krankenhäuser gehackt worden. Die Bedrohung durch Cyberattacken sei längst nicht mehr nur eine digitale, sagte Schinas. "Die Leben unserer Bürger stehen auf dem Spiel."

Dementsprechend gehe auch die Dimension über das Wirtschaftliche hinaus, wenn Kriminelle nicht mehr bloß Geld von Firmen erpressen wollten. Es gehe um die gesamte Gesellschaft. "Wir müssen den Begriff ,Cyber' aus der technologischen Ecke herausholen und in die politische Ecke sortieren", sagte Schinas. Er und andere Teilnehmer der IT-Sicherheitskonferenz betonten, dass neben der Bedrohung durch private Akteure und Hackerbanden auch die Bedrohung durch staatliche Akteure gewachsen sei. "Bevor in einem Konflikt ein feindlicher Panzer eine Grenze überschreitet, werden Netzwerke angegriffen", sagte EU-Kommissar Schinas.

Online-Services von Banken waren nicht erreichbar

So gehen im aktuellen Konflikt zwischen Russland und der Ukraine Fachleute davon aus, dass Staatshacker Teil einer hybriden Strategie Moskaus sind. Im Januar wurden die Websites diverser Regierungsstellen der Ukraine gehackt, erst am Dienstag traf es erneut diejenige des Verteidigungsministeriums. Zudem waren Online-Services von Banken nicht erreichbar. Ob, wie von ukrainischer Seite zu hören war, Moskau dahintersteckt, lässt sich nicht belegen. Grundsätzlich ist die Attribution von Hackerangriffen schwierig, da sich Spuren leicht verwischen lassen.

In der Vergangenheit wiesen westliche Regierungen jedoch regelmäßig Russland die Schuld für Angriffe zu, etwa beim Hack von Bundestagsservern 2015 oder einer groß angelegten Attacke auf Unternehmen und andere Infrastruktur rund um den Globus 2017. BSI-Präsident Schönbohm betonte, angesichts der gestiegenen Bedrohung wolle Deutschland "noch intensiver mit gleichgesinnten Staaten" zusammenarbeiten, um die Cyberabwehr zu stärken.

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