Krieg in der Ukraine:Warum baut die "Gruppe Wagner" Befestigungsanlagen?

Krieg in der Ukraine: Soldaten der russischen Söldner-Armee "Gruppe Wagner".

Soldaten der russischen Söldner-Armee "Gruppe Wagner".

(Foto: Viktor Antonyuk/imago/SNA)

Die Söldner legen nach eigenen Angaben mitten im von Russland besetzten Gebiet Verteidigungsanlagen an. Außerdem sollen sie eine Miliz trainieren. Vermutlich sind die Bilder und Ankündigungen aber eher Propaganda als wirkliche Kriegsstrategie.

Von Nicolas Freund, München

Die russischen Besatzer im Osten der Ukraine scheinen sich zunehmend Sorgen wegen möglicher Gegenangriffe der ukrainischen Streitkräfte zu machen. So teilten der russischen Söldnertruppe "Gruppe Wagner" nahestehende Telegram-Kanäle mit, in der ukrainischen Region Luhansk und der russischen Region Belgorod werde geplant, eine Verteidigungslinie zu errichten. Satellitenbilder und Videos zeigen mehrere Reihen von pyramidenförmigen Betonklötzen, die Fahrzeuge aufhalten sollen, sowie Schützengräben. Soldaten, Panzer oder Geschütze sind nirgends zu sehen, auch scheint die bisher errichtete Verteidigungslinie nicht besonders lang zu sein, laut Schätzungen des amerikanischen Nachrichtensenders CNN nur etwa 1,6 Kilometer.

Geplant zu sein scheinen laut Karten, die von dem Bauvorhaben kursieren, aber mehrere Hundert Kilometer. Auch solle laut der russischen Exilzeitung Meduza in Belgorod eine Miliz trainiert werden. Es ist fraglich, ob die Wagner-Truppe über die Ressourcen zur Errichtung einer solchen Anlage und zum Aufbau einer Miliz verfügt. Vermutlich sind die Bilder und Ankündigungen eher Propaganda als wirkliche Kriegsstrategie. Die gezeigten Befestigungen sollen sich bei dem Ort Hirske befinden, also mehr als zehn Kilometer hinter der eigentlichen Frontlinie. Vielleicht geht man bei der "Gruppe Wagner" davon aus, dass diese aktuell besetzten Gebiete ohnehin nicht zu halten sind - oder man wollte ohne ukrainischen Artilleriebeschuss ein paar Fotos und Videos machen können.

Möglicherweise dient dieser Bau aber auch Zwecken der russischen Innenpolitik, wie aus manchen der Telegram-Nachrichten hervorgeht, in denen es heißt, "Vertreter der Behörden und Verwaltungen" würden sich "den Interessen der Bevölkerung" widersetzen. So vermuten die Experten des Institute for the Study of War in Washington D.C., der Gründer und Finanzier der "Gruppe Wagner", Jewgeni Prigoschin, weiche mit der Errichtung dieser Verteidigungsanlage von der Linie des Kremls ab und unterstütze die Forderungen russischer Nationalisten, die Grenze zur Region Belgorod besser zu schützen.

Auch unterscheide sich der geplante Verlauf der Verteidigungslinie von den Gebieten, die nach Aussage des Kreml unter russischer Kontrolle seien. Diese Abweichungen sind tatsächlich eigenartig, die Einschätzungen aus Washington, der Bau der Verteidigungslinie schaffe "Risse in der russischen Regierung", wirkt jedoch etwas spekulativ. Der Bau wirft eher die Frage auf, warum überhaupt die von Kreml finanzierte, aber offiziell private und unabhängige Wagner-Truppe den Bau von Panzersperren und Schützengräben übernimmt und nicht die reguläre russische Armee, die nach der Teilmobilmachung eigentlich weniger Personalprobleme als noch vor einigen Wochen haben müsste.

Möglicherweise möchte man in Moskau den Eindruck aufrechterhalten, die Verteidigung der besetzten Gebiete funktioniere doch bereits, ohne zusätzliche Maßnahmen. So teilte das russische Verteidigungsministerium am Sonntag mit, es seien ukrainische Gegenangriffe zurückgeschlagen und die Angriffe auf die Energieversorgung der Ukraine seien fortgesetzt worden. Auch die russische Besatzungsverwaltung teilte am Sonntag mit, die Lage sei stabil und die Verteidigung werde verstärkt werden.

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