Nach einer Nacht, in der die ukrainische Hauptstadt Kiew Ziel einer weiteren Welle russischer Luftangriffe wurde und ebenso die 700 000-Einwohnerstadt Lwiw im Westen, begann am Mittwoch in der Ukraine die größte Umbildung der Regierung seit Beginn des russischen Angriffskrieges. Präsident Wolodimir Selenskij hatte bereits im Juli größere Personalwechsel im Kabinett angekündigt.
Dazu gehört das Rücktrittsgesuch von Außenminister Dmytro Kuleba, als Chefdiplomat war er seit 2020 im Amt und ist neben Selenskij international der wichtigste und bekannteste Vertreter des Landes, vor allem bei Gesprächen mit der Nato und der EU oder den G-7-Ländern. Kulebas Nachfolger könnte sein bisheriger Stellvertreter Andrij Sybiha werden, berichtete die Agentur Bloomberg.
Der Präsident hofft, so das Land stärker zu machen
Andere Kabinettsmitglieder hatten bereits am Dienstag ihre Rücktritte erklärt. Mehr als die Hälfte der Ministerien würden neu besetzt, teilte David Arachamija mit, ein ranghoher Abgeordneter aus Selenskijs Partei. Mittwoch werde „ein Tag der Entlassungen“ sein und Donnerstag „ein Tag der Ernennungen“, sagt er. Die Oberste Rada, das Parlament in Kiew, stimmte am Mittwoch über einige Entlassungen ab.
Alle bisher zurückgetretenen Kabinettsmitglieder übten wichtige Funktionen aus. Neben Kuleba sind es: Justizminister Denys Maljuska, Umweltminister Ruslan Strilez und der Minister für Strategische Industrien, Oleksandr Kamyshin, der für die Rüstungsproduktion zuständig ist. Ebenso reichten die Vizeregierungschefinnen Olha Stefanischyna und Iryna Wereschtschuk ihre Rücktritte ein. Wereschtschuk ist bisher für Flüchtlingsfragen verantwortlich und Stefanischyna für die europäische Integration der Ukraine. Es geht zudem der für Privatisierungen zuständige Chef des Staatsbesitzfonds, Vitali Koval. Ihn und Wereschtschuk entließ das Parlament aber vorerst nicht, ein Teil der Abgeordneten wollte nicht ohne Vorliegen ihrer Rechenschaftsberichte abstimmen. Über Außenminister Kuleba sollte an diesem Donnerstag entschieden werden.
Präsident Selenskij sagte, die Ukraine brauche neue Energie. Zuvor erklärte er, die Veränderungen seien nötig, um das Land zu stärken. „Der Herbst wird extrem wichtig für die Ukraine. Unsere staatlichen Institutionen müssen so strukturiert werden, dass die Ukraine alle Ergebnisse erzielen kann, die wir brauchen“, sagte er.
Bei den massiven russischen Luftangriffen wurden in Lwiw laut dem Bürgermeister sieben Menschen getötet, unter ihnen drei Kinder und eine Hebamme, 30 Verletzte würden behandelt. Es seien über 50 Gebäude beschädigt worden, die meisten im Stadtzentrum, darunter Schulen, Wohnhäuser und Kliniken. Am Vortag hatten Angriffe auf die Großstadt Poltawa bereits mehr als 50 Leben gefordert.