Es gibt Szenen, die bleiben in Erinnerung. Dazu gehört der Knicks der damaligen Außenministerin Karin Kneissl vor Russlands Präsident Wladimir Putin. Die Botschaft dieses Bildes: ein Kniefall vor dem starken Mann in Moskau - Kneissl knickst ein.
Es ist ein Sinnbild für Österreichs offizielle und inoffizielle Politik gegenüber Russland. Wenn es um Sanktionen ging, war Österreich auf EU-Ebene in den vergangenen Jahren auf Seiten der Bremser. Das wusste Putin zu schätzen, der wohl auch deshalb 2018 die Einladung zur Hochzeit der von der FPÖ nominierten Außenministerin annahm.
Dass dieses Bild vom Knicks überhaupt bekannt wurde, ist dem russischen Staatssender RT zu verdanken, der einen Propagandafilm gestaltete: Putin und das Fest der Liebe in der Steiermark - wie rührend! Der Screenshot mit dem Knicks fand so den Weg in die Öffentlichkeit, denn die österreichische Nachrichtenagentur APA durfte damals nur ein Bild verwenden und hatte sich für das Foto des tanzenden Paares Putin-Kneissl entschieden. Auch das symbolträchtig.
Von der ehemaligen Außenministerin kein Wort über den Krieg
Bei genau diesem Staatssender, dem Deutschland die Sendelizenz entzogen hat und der noch immer ins Wiener TV-Kabelnetz eingespeist wird, ist Kneissl regelmäßig zu Gast. Die 57 Jahre alte Wienerin sitzt auch im Aufsichtsrat des russischen Ölkonzerns Rosneft und tritt - Krieg hin oder her - als Putins Propagandistin auf; auf RT stets als ehemalige Außenministerin angesprochen.
Diese Woche analysierte sie, dass Putins Anerkennung der Separatistengebiete in der Ukraine ein "ganz normaler Vorgang" sei. Kneissl postete auf ihrem Twitter-Account ihren Fernsehauftritt am Donnerstag: Kein Wort über den Krieg, aber Verständnis für das "tiefe Misstrauen" Moskaus gegenüber dem Westen, der sich aber keine Sorgen über Gaslieferungen machen müsse. Russland habe sich stets "als zuverlässiger Zulieferer" verstanden, "es ist noch keine dramatische Situation". Verhandlungen einfach abzubrechen, "hilft auch nicht weiter". Ihr Appell: "Diplomatie ist, unter allen Umständen im Gespräch zu bleiben."
Da fühlt man sich im falschen Film. Das Gefühl des Fremdschämens wird noch verstärkt durch Stellungnahmen anderer österreichischer Putin-Versteher. Noch diese Woche sprach sich der langjährige Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl, Ko-Vorsitzender eines österreichisch-russischen Forums zur Stärkung der bilateralen Beziehungen, gegen Sanktionen aus und geriet ins Schwärmen über den "genialen politischen Schachspieler" Putin.
Oder der ehemalige Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP), der seinen Aufsichtsratssitz im Mineralölkonzern Lukoil nicht abgeben will - mit dem hanebüchenen Argument, das Unternehmen sei an der Londoner Börse notiert und keine Staatsfirma.
Nicht auszudenken, wäre die FPÖ noch in der Bundesregierung
Von Schüssels Nachfolger Alfred Gusenbauer (SPÖ) weiß man, dass er im Osten Geschäfte macht, aber nicht genau welche - er selbst kann sich im Zweifel nicht daran erinnern, woher denn das Geld kommt. Zumindest Ex-Kanzler Christian Kern (SPÖ) zog, anders als Gerhard Schröder in Deutschland, Konsequenzen. Kern trat mit Bedauern, aber doch als Aufsichtsrat der russischen Staatsbahn zurück, weil diese "Teil der Kriegslogistik" geworden sei.
Immerhin wurde von der aktuellen türkis-grünen Regierung die auf EU-Ebene verhängten Sanktionen ohne Wenn und Aber mitgetragen. Vom Kanzler über den Vizekanzler bis zum Außenminister gab es klare Stellungnahmen gegen den Aggressor Putin. Der Ibiza-Affäre sei Dank - nicht auszudenken, die FPÖ wäre noch in der Regierung.
Es ist an der Zeit, dass Österreich sein Verhältnis zu Russland grundsätzlich neu definiert. Es ist nicht nur zum Fremdschämen, sondern eine Schande, dass sich ehemalige Politiker von Putin einspannen und dafür auch noch bezahlen lassen. Denn es gibt Geld, das stinkt.
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