Ukraine:Präsident verhängt wieder Kriegsrecht

Kiew reagiert damit auf Attacken der russischen Marine. Im Krim-Konflikt droht eine dramatische Eskalation.

Von Frank Nienhuysen

Der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine droht sich um einen neuen Schauplatz zu erweitern. Nachdem die russische Küstenwache am Sonntag an der Meerenge von Kertsch ein ukrainisches Schiff gerammt und zwei weitere Boote festgesetzt hatte, beschloss der ukrainische Präsident Petro Poroschenko am Montag das Kriegsrecht einzuführen. Am Abend stimmte das ukrainische Parlament zu, das Kriegsrecht soll am Mittwoch für 30 Tage in Kraft treten. Die internationale Staatengemeinschaft zeigte sich erschüttert über die Eskalation. In New York beriet der UN-Sicherheitsrat zur Lage.

Die Ukraine forderte von Russland, die Seeleute, von denen mehrere von russischer Seite beschossen wurden, sofort freizulassen. Die "brutale Festnahme" am Asowschen Meer verstoße gegen internationales Recht, sagte Poroschenko. Russlands Außenminister Sergej Lawrow wiederum warf der Ukraine Provokationen vor und rief den Westen auf, die ukrainische Führung "zur Vernunft zu bringen". Er sprach von "Kriegshysterie", aus der Kiew vor der Präsidentenwahl politisch Profit schlagen wolle. Mit der Erklärung des Kriegsrechts könne die Ukraine versucht sein, die Wahl im März zu verschieben. Poroschenko liegt in den Umfragen deutlich zurück, das Parlament in Kiew legte aber am Montag den 31. März als Wahltag fest.

Der Westen stellte sich auf die Seite der Ukraine. EU-Ratspräsident Donald Tusk kritisierte am Montag das gewaltsame Festsetzen der ukrainischen Schiffe durch Russland. Bundesaußenminister Heiko Maas rief beide Seiten zur Deeskalation auf, es sei "nicht akzeptabel", dass es am Asowschen Meer "eine Blockade durch Russland gibt". Maas bot an, mit Frankreich zu vermitteln. Auch die Türkei als Schwarzmeer-Anrainer verlangte, dass Schiffe nicht an der Durchfahrt der Straße von Kertsch gehindert werden dürften. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sicherte der Ukraine Unterstützung zu, er berief die Nato-Ukraine-Kommission ein.

Vor dem Sicherheitsrat forderte der ukrainische UN-Botschafter, die Sanktionen zu verschärfen, die nach der Krim-Besetzung gegen Russland verhängt wurden. Russlands Vertreter warf der Ukraine die Verletzung russischer Grenzen vor, und sagte, der Westen verhalte sich "antirussisch", schüre "Hass auf Russland". Die US-Botschafterin bei den UN, Nikki Haley, nannte das Aufbringen ukrainischer Marineschiffe "illegal" und "skandalös".

Das Asowsche Meer ist ein Nebenmeer des Schwarzen Meeres und mit ihm durch die Meerenge von Kertsch verbunden. Seit Russland eine Brücke vom Festland zur annektierten Krim bauen ließ, kontrolliert es den Zugang zu Asowschem Meer und Südostküste der Ukraine. Die Hafenstädte Mariupol und Berdjansk beklagen den Rückgang des Handels, weil Frachter mit mehr als 33 Metern Höhe die Brücke nicht passieren können und Russland kleinere Schiffe tagelang festhalte. Kiew wirft Moskau vor, den Küstenstreifen blockieren zu wollen. Moskau argumentiert mit Sicherheitsbedenken und Schutz der Brücke.

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