Süddeutsche Zeitung

Ukraine:Ex-Präsident Poroschenko bleibt frei

Ein Gericht in Kiew sieht von Untersuchungshaft ab, der Oligarch muss sich aber regelmäßig melden. Er soll während seiner Regierungszeit Geschäfte mit pro-russischen Separatisten gemacht haben, ihm wird Hochverrat vorgeworfen.

In einem Strafverfahren wegen Hochverrats droht dem ukrainischen Ex-Präsidenten Petro Poroschenko vorerst keine Festnahme. Ein Gericht in der Hauptstadt Kiew entschied am Mittwoch, dass der 56-Jährige unter Meldeauflagen in Freiheit bleiben darf. Der Richter ordnete aber den Entzug seines Reisepasses an. Alle Auflagen gelten für zunächst zwei Monate und können verlängert werden. Die Staatsanwaltschaft hatte Untersuchungshaft oder Freilassung gegen eine Rekord-Kaution von einer Milliarde Hrywnja - umgerechnet circa 31 Millionen Euro - für den Millionär gefordert.

Poroschenko soll während seiner Amtszeit Geschäfte mit pro-russischen Separatisten in der Ostukraine gemacht haben. 2014 und 2015 soll er am illegalen Verkauf großer Mengen Kohle durch die Separatisten beteiligt gewesen sein und sie auf diese Weise finanziert haben.

Der Oligarch bezeichnet die Vorwürfe als Erfindung seines Amtsnachfolgers Wolodimir Selenskij und spricht von einem politisch motivierten Verfahren, das unabhängig von der Entscheidung des Gerichts fortgesetzt werde. "Der Entzug meines Reisepasses behindert meine politische Tätigkeit", sagte Poroschenko. Bei einer Verurteilung drohen ihm 15 Jahre Gefängnis. Erst am Montag war er nach einem Auslandsaufenthalt in die Ukraine zurückgekehrt.

Will sich Selenskij eines Widersachers entledigen?

Poroschenko, dem ein Süßwarenkonzern gehört und der einer der reichsten Männer der Ukraine ist, war 2014 zum Präsidenten gewählt worden. Er schlug einen pro-westlichen Kurs ein, nachdem sein pro-russischer Vorgänger Viktor Janukowitsch im Zuge von Massenprotesten auf dem Maidan gestürzt worden war. 2019 trat Poroschenko erneut zur Präsidentenwahl an. Er unterlag jedoch Selenskij, der mit seinem Versprechen, die Korruption zu bekämpfen und den Einfluss der Oligarchen einzudämmen, einen erdrutschartigen Sieg errang.

Inzwischen allerdings steht Selenskij selbst wegen stockender Reformen in der Kritik. Seine Beliebtheitswerte sind in den vergangenen Monaten deutlich gefallen. Immer wieder wird ihm auch seine Nähe zu einem mächtigen Oligarchen vorgeworfen, mit dessen Hilfe er überhaupt Präsident geworden ist.

Nicht nur im Poroschenko-Lager kursiert der Verdacht, Selenskij könnte sich im Schatten der außenpolitischen Krise und einer drohenden Invasion durch Russland mithilfe der Justiz eines politischen Widersachers entledigen wollen: Poroschenko ist Chef der Oppositionspartei Europäische Solidarität.

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