Ukraine:Ouvertüre eines heißen Krieges

Ukraine: Ukrainische Truppen nehmen bei Slawjansk einen Checkpoint prorussischer Separatisten ins Visier.

Ukrainische Truppen nehmen bei Slawjansk einen Checkpoint prorussischer Separatisten ins Visier.

(Foto: AP)

Ist das schon der Ernstfall? Kreisende Hubschrauber, Panzermanöver an der Grenze, Rauchsäulen über der Ostukraine. Vor allem das rhetorische Dröhnen lässt Schlimmstes befürchten. Die Übergangsregierung in Kiew handelt in der Krise rechtmäßig - aber nicht klug.

Ein Kommentar von Frank Nienhuysen

Jetzt wird es ernst, aber ist das schon der Ernstfall? Die Ouvertüre eines heißen Krieges? Kreisende Hubschrauber und rollende Panzer, Feuergefechte und Granatangriffe, Tote und Verletzte, Rauchsäulen über der Ostukraine, neue Manöver der russischen Armee - es sieht ganz danach aus. Vor allem, wenn man das anschwellende rhetorische Dröhnen bedenkt. Gerade erst hat der ukrainische Übergangspremier Arseni Jazenjuk Russland vorgeworfen, einen "dritten Weltkrieg" anzetteln zu wollen.

Für die Regierung in Kiew ist der Einsatz im Osten der Ukraine eine legitime Anti-Terror-Operation, mit der sie die Kontrolle über besetzte Behörden zurückerlangen will. Für Moskau ist es das Verbrechen einer Junta gegen das eigene Volk. Und für die Welt wieder einmal ein Tag, der Schlimmstes befürchten lässt. Moskaus Außenminister Sergej Lawrow hat gerade gesagt, jeder Angriff auf russische Bürger sei ein Angriff auf die Russische Föderation.

Die von Kremlchef Wladimir Putin als Junta bezeichnete Regierung war selbst für Moskau noch vor einer Woche legitim genug, um das Genfer Abkommen mitauszuhandeln. Darin vorgesehen ist die Entwaffnung besetzter öffentlicher Behörden, Gebäude und Plätze, die Abgabe von Waffen in den Händen illegaler Separatisten.

Die Regierung in Kiew handelt rechtmäßig - aber nicht klug

Formell versucht die Regierung in Kiew nun also durchzusetzen, was dem Papier nach ihr Recht ist: Ordnung wiederherzustellen, die Hoheit des Staates über ihre Behörden zurückzugewinnen, sie zu befreien aus der Gewalt maskierter Kalaschnikow-Rabauken. Denn diese haben klargemacht, dass sie von Genf so wenig wissen wollen wie von Kiew. Klug ist das Vorgehen der ukrainischen Regierung deshalb aber nicht. Nur allzu greifbar könnte für Russland der Vorwand sein, die Lage im Osten der Ukraine nun auch militärisch eskalieren zu lassen. Zehntausende Soldaten stehen an den Grenzen Gewehr bei Fuß.

Zynisch ist jedoch die russische Behauptung, der Westen und die ukrainische Führung hintertreibe den Genfer Kompromiss. Ein machtvolles Wort des Kremls, eine glasklare Aufforderung an die grünen Männchen, die besetzten Gebäude in Slawjansk, Lugansk und Co. freizugeben, würde die Lage vermutlich schnell entschärfen. Doch dieses Wort ist nicht zu hören. Vermutlich deshalb, weil Moskau vom Westen derzeit wenig zu befürchten hat. Militärisch wird dieser ohnehin stillhalten, doch auch diplomatisch ziert sich Europa allzu lange, die ersten wirtschaftlichen Sanktionen mehr als nur anzudrohen.

Die Genfer Vereinbarung ist also gescheitert, und doch könnte es sein wie mit ähnlichen brüchigen Abkommen auch. Irgendwann wird man sich ihrer erinnern, sie wieder hervorkramen in den dunklen Stunden, wenn ein Krieg mitten in Europa, an der Naht zwischen Ost und West, doch noch abgewendet werden soll. Der Abzug der Protestbewegung vom Kiewer Maidan könnte da ein wichtiger, symbolischer Schritt sein, dem die prorussischen Renegaten in den ostukrainischen Rathäusern gleichkommen müssten. Eigentlich wollten die Maidan-Camper bis zur Wahl am 25. Mai ausharren. Nun ist zu befürchten, dass Kiew dann ganz andere Sorgen hat.

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