Ukraine:Neue Spielräume im Donbass

Ukraine: Ein Junge spielt im Gefechtsstand eines Panzers nahe Donetzk.

Ein Junge spielt im Gefechtsstand eines Panzers nahe Donetzk.

(Foto: Aleksey Filippov/AFP)

Am Freitag treffen sich die Politiker des Normandie-Formats, um über die Ostukraine zu beraten.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Die Rede, die der ukrainische Präsident auf der UN-Vollversammlung in New York gehalten hat, war dort eigennützig, wo das Lob endete und das Wünschen begann. Petro Poroschenko lobte das Vorhaben, die Friedenstruppen zu stärken und die Sicherheit der Blauhelme zu verbessern. Sollte die Ukraine, so der Präsident, demnächst als nicht-ständiges Mitglied in den Sicherheitsrat gewählt werden, werde die UN-Friedenssicherung zu den Prioritäten seines Landes zählen.

Kein Wunder. Poroschenko wirbt seit Längerem dafür, eine internationale Friedenstruppe in die von Separatisten besetzten Teile des Donbass und die von Kiew gehaltene "Antiterror-Zone" im Osten zu schicken. Moskau hat sich aber bisher komplett dagegen gesperrt - und ohne die Zustimmung des Sicherheitsratsmitglieds Russland geht gar nichts. Bisher zumindest war ein solches Modell also Kiewer Wunschdenken.

Für die Ukraine wäre eine Blauhelm-Mission aber ein diplomatischer Sieg - und eine finanzielle Erleichterung. Fünf Millionen Dollar pro Tag koste der Krieg im Osten, hatte Poroschenko kürzlich angemerkt - Geld, welches das Land nicht hat.

Wenige Tage vor dem Treffen von Poroschenko, Russlands Präsident Wladimir Putin, Kanzlerin Angela Merkel und dem französischen Präsidenten François Hollande in Paris - im sogenannten Normandie-Format - verdichten sich allerdings die Hinweise darauf, dass eine internationale Friedensmission, die über das jetzige Engagement der OSZE-Beobachtermission hinausgeht, in den Bereich des Möglichen rückt. Moskau könne sich mittlerweile damit anfreunden, heißt es hoffnungsfroh in Kiew. Jetzt, da Putin in der Syrienfrage mit Macht auf die internationale Bühne zurückdränge, wolle er womöglich den Klotz, der ihm mit der Ostukraine am Bein hängt, loswerden.

Auch anderes scheint in Bewegung gekommen zu sein, bevor sich am Freitag die Politiker treffen, um über die Umsetzung des Minsker Abkommens zu sprechen; Merkel und Putin sind dort auch zum Zweiergespräch verabredet. So nimmt - im Vorfeld - der Streit um den sogenannten "Morel-Plan" zu, benannt nach dem französischen Koordinator der Trilateralen Kontaktgruppe, Pierre Morel. Er hatte den Vorschlag entwickelt, dass die für den 18. Oktober in der "Autonomen Volksrepublik Donezk" und für den 1. November in der "Autonomen Volksrepublik Luhansk" geplanten Wahlen, die Kiew als unvereinbar mit dem Minsker Abkommen und als illegitim ablehnt, nun doch eine Art legalen Status bekommen könnten. Dazu müsste, grob gesagt, die Möglichkeit der Abhaltung separater Wahlen durch die Rebellen in das ukrainische Gesetz über den Sonderstatus der besetzten Gebiete aufgenommen werden.

Im Minsker Abkommen ist jedoch vorgesehen, dass die Wahlen in den Separatisten-Gebieten unter ukrainischer Kontrolle und nach ukrainischem Gesetz abgehalten werden müssen, was die Separatisten verweigern. Präsident Poroschenko reagierte daher höchst allergisch auf das "Morel-Plan" genannte Konzept und ließ wissen, dass die geplanten Wahlen im Donbass den Friedensprozess zerstörten und Kiew alles tun werde, um solche "Pseudo-Wahlen" zu verhindern. Der Plan sei "Morels Privatmeinung".

Experten in Kiew bezeichnen ihn als "Ultimatum" und "Erpressung". Die Deutsche Welle goss am Montag Öl ins Feuer, als sie meldete, der Morel-Plan sei mit Unterstützung der US-Staatssekretärin Victoria Nuland und des russischen Außen-Staatssekretärs Grigorij Karasin zustande gekommen - auf einer direkten Achse zwischen Washington und Moskau. Nachdem ihn alle Seiten - außer eben Kiew - grundsätzlich bejaht hätten, habe man sich für Paris verabredet. Der Plan enthalte die raffinierte Idee, die Wahlen durch eine Verfassungsänderung de jure nach ukrainischem Recht abzuhalten; de fakto könnten die Separatisten die Wahlen nach ihren eigenen Regeln organisieren.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hatte nach dem letzten Vorbereitungstreffen mit seinen Kollegen in Berlin am 12. September gesagt, Modalitäten und Zeitplan der Lokalwahlen würden in der Arbeitsgruppe Politik der Trilateralen Kontaktgruppe erarbeitet. "Dabei stützt sie sich auf die Vorschläge des Koordinators der zuständigen Arbeitsgruppe, Pierre Morel, und die Minsker Vereinbarung."

In Berlin heißt es nun zwar, der Morel-Plan enthalte nur grobe Eckpunkte für das weitere Prozedere; alle Seiten hätten sich aber darauf geeinigt, diese zügig zu erörtern. Alle? Wohl nicht. Interfax zitiert den ukrainischen Minister Pawlo Klimkin am 12. September so:"Wir sind zum Dialog mit den legitimen Vertretern des Donbass bereit. Wenn Sie aber unter den Vertretern jene verstehen, die nach den gefälschten Wahlen im November 2014 erschienen sind, so ist das nicht der Weg vorwärts." Und: "Falls in den besetzten Gebieten Wahlen stattfinden, ist die Frage, wie wir gewährleisten können, dass sie frei und ehrlich sind."

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