Ukraine-Krise:Eine wichtige Woche für die europäische Sicherheit

Ukraine-Krise: Seite an Seite: Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg mit der ukrainischen Vizepremierministerin Olga Stefanischina.

Seite an Seite: Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg mit der ukrainischen Vizepremierministerin Olga Stefanischina.

(Foto: Yves Herman/Reuters)

Nach zweieinhalb Jahren tagt der Nato-Russland-Rat wieder. Dass das Treffen überhaupt stattfindet, sei "positiv", heißt es in der Allianz. Doch die Sorgen angesichts des russischen Truppenaufmarsches an der Grenze zur Ukraine bleiben groß.

Von Matthias Kolb, Brüssel

Wendy Sherman hatte keine Zeit zu verlieren. Am Dienstagmorgen ist die stellvertretende US-Außenministerin in Brüssel gelandet, vom Flughafen ging es direkt in die Nato-Zentrale, wo sie Generalsekretär Jens Stoltenberg traf. Dass Sherman dort auch in einem abhörsicheren Raum die Botschafter der 29 anderen Mitglieder über ihr achtstündiges Treffen in Genf mit Russlands Vizeaußenminister Sergej Rjabkow informierte, sollte nicht nur zeigen, wie eng sich Washington mit den europäischen Partnern abspricht.

Für das Verteidigungsbündnis ging es darum, ein heikles Treffen vorzubereiten: Am Mittwoch werden Vizeverteidigungsminister Alexander Fomin sowie Alexander Gruschko, ein weiterer Vizeaußenminister, die Delegation Moskaus für den Nato-Russland-Rat anführen. Die USA werden von Sherman vertreten. Es wird auch um Moskaus umstrittene Vorschläge über neue Sicherheitsabkommen für Europa gehen. Drei Stunden sind für das Gespräch geplant, aber in der Allianz hält man es für möglich, dass es viel länger dauert, weil die russischen Vertreter Zeitvorgaben gerne ignorieren - oder, dass es schnell vorbei ist.

Stoltenberg sprach am Montag von einem "positiven Signal", dass Russland zweieinhalb Jahre nach der letzten Sitzung die Einladung für das Gesprächsformat angenommen hat. Dies sei eine "wichtige Woche" für die europäische Sicherheit. Zugleich beklagte er, dass Präsident Wladimir Putin nicht nur Appelle zur Deeskalation ignoriere, sondern an der Grenze zur Ukraine aufrüste: "Russland setzt seinen militärischen Aufmarsch fort, mit Zehntausenden kampfbereiten, gut ausgerüsteten Soldaten."

Russlands Forderungen sind zu einseitig, meinen Nato und EU

Der Generalsekretär sagte dies neben der ukrainischen Vizepremierministerin Olga Stefanischina nach einer Sitzung der Nato-Ukraine-Kommission. Hier wurde erneut der Schulterschluss mit Kiew betont, der seit Wochen mit der Warnung verknüpft ist, dass eine Invasion in die Ukraine "massive Konsequenzen und hohe Kosten" in Form von Wirtschaftssanktionen hätte. Obwohl Russland Angriffspläne abstreitet, erhalten die Nato-Mitglieder keine Erklärung, wieso Russland immer mehr gepanzerte und kampfbereite Einheiten, Artillerie sowie weitere Ausrüstung für elektronische Kriegsführung in die Nähe der Ukraine verlegt. Denn unbemerkt bleibt so etwas angesichts moderner Aufklärungsmöglichkeiten nicht, wie die US-Spitzendiplomatin Sherman nach dem strategischen Dialog in Genf klarmachte: "Das ist kein Geheimnis, wir sollen ihre Truppen sehen. Sie wissen, dass wir dies sehen."

Eine Forderung Moskaus, nämlich die Zusage der Nato, die Ukraine oder Georgien nicht aufzunehmen, lehnt der Westen ab. Erneut machte Stoltenberg deutlich, dass eine solche Entscheidung nur von den Nato-Mitgliedern und dem interessierten Land getroffen werden könnte: "Niemand sonst hat das Recht, etwas dazu zu sagen." Der Generalsekretär sprach aus, was viele in der Allianz denken: Diese Sitzung wird nicht alle Probleme lösen, sondern hoffentlich der Auftakt zu weiteren Gesprächen. Stoltenberg möchte vor allem über europäische Sicherheitsfragen sprechen, etwa über Transparenz in Zusammenhang mit militärischen Aktivitäten oder Rüstungskontrolle. Alle Abmachungen müssten "wechselseitige Bindekraft" haben. Hinter dieser diplomatischen Formulierung steht die Überzeugung von EU und Nato, dass Russlands Vorschläge zu "einseitig" sind und die Sorgen der Osteuropäer nicht mindern, sondern verstärken.

Aus Moskau hieß es vor dem Brüsseler Treffen, man wisse noch nicht, "wo wir mit den Amerikanern stehen", wie Kreml-Sprecher Dmitrij Peskow sagte. Grund für Optimismus gebe es nicht, sagt er: Erst in den "nächsten Tagen" werde man wissen, "in welche Richtung man sich bewegt" und ob weitere Gespräche sinnvoll seien. Am Donnerstag will sich die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), zu der neben Russland auch die Ukraine gehört, mit dem Thema befassen.

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