Ukraine:Machtkampf der Patriarchen

Der Streit um den Einfluss in der Ukraine eskaliert: Russisch-orthodoxe Christen dürfen nun nicht mehr in den Kirchen von Konstantinopel beten.

Von Frank Nienhuysen

Ukraine: Kein Zugriff mehr auf viele ukrainische Christen: Der Patriarch von Moskau, Kirill, bei einem Gottesdienst in Minsk.

Kein Zugriff mehr auf viele ukrainische Christen: Der Patriarch von Moskau, Kirill, bei einem Gottesdienst in Minsk.

(Foto: Sergey Vlasov/AFP)

Der Riss zwischen der russischen Orthodoxie und dem Patriarchat von Konstantinopel hat sich am Dienstag vertieft. Die russisch-orthodoxe Kirche ermahnte die Gläubigen, die Entscheidungen des Heiligen Synod zu beachten, nach denen es nun verboten sei, in den Kirchen des Patriarchats von Konstantinopel zu beten oder zur Beichte zu gehen. Ein Sprecher der russisch-orthodoxen Kirche zählte ausdrücklich auf, in welchen beliebten Touristenorten derartige Kirchen stünden: Dazu gehörten in der Türkei Istanbul und Antalya sowie in Griechenland Kirchen auf den Inseln Rhodos, Kreta und Dodekanes. Priestern drohten bei Vergehen Strafen, die von der Befreiung vom Dienst bis zur Exkommunikation aus der Kirche reichen können.

Wegen eines Streits über die orthodoxe Kirche in der Ukraine ist ein Machtkampf zwischen Moskau und Konstantinopel entbrannt, der zu einer Kirchenspaltung führen könnte. Am Montag hatte der Heilige Synod der russisch-orthodoxen Kirche beschlossen, alle Kontakte zum Patriarchat von Konstantinopel (Istanbul) vorerst abzubrechen. Geistliche der russischen Orthodoxie dürfen nicht mehr mit Vertretern der Kirche von Konstantinopel gemeinsam Gottesdienste feiern. Hintergrund des Bruchs ist, dass Konstantinopel die Bildung einer eigenständigen orthodoxen Kirche in der Ukraine unterstützt. Dazu hatte Konstantinopel in der vergangenen Woche ein jahrhundertealtes Abkommen für ungültig erklärt, mit dem Moskau den Metropoliten von Kiew ernennen darf. Es hat damit die Kirche in der Ukraine praktisch dem Zugriff des Moskauer Patriarchen entzogen und direkt dem Patriarchat von Konstantinopel unterstellt. Dieses gilt in der orthodoxen Kirche als Erster unter Gleichen.

Nach dem Ende der Sowjetunion hatte sich in der politisch unabhängigen Ukraine bereits eine ukrainisch-orthodoxe Kirche - Kiewer Patriarchat - gebildet, die jedoch nicht anerkannt wurde. Daneben existiert die anerkannte ukrainisch-orthodoxe Kirche - Moskauer Patriarchat -, die in der Ukraine über die meisten Pfarrgemeinden verfügt. Umfragen vom September zufolge zeigten sich jedoch die meisten orthodoxen Ukrainer dem Kiewer Patriarchat zugehörig, das in der russisch-orthodoxen Kirche den verlängerten Arm des Kremls sieht. Verschärft wurden die Spannungen durch die Annexion der Krim vor mehr als vier Jahren.

Dass nun der Patriarch von Konstantinopel die Unabhängigkeit der ukrainischen Orthodoxie von Russland unterstützt, kommt dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko gerade recht. Fünf Monate vor der Präsidentenwahl liegt er in den Meinungsumfragen weit zurück. Er könnte Erfolge auf dem Weg zu einer anerkannten ukrainisch-orthodoxen Kirche in seinem Wahlkampf einsetzen. Am Dienstag ließ er über eine Abgeordnete der Fraktion "Block Petro Poroschenko" eine Initiative ankündigen, als "symbolische Geste" die berühmte Andreaskirche in Kiew "zur ständigen Nutzung" dem Patriarchat von Konstantinopel zu übergeben. Die Andreaskirche aus dem 18. Jahrhundert gehört zu den größten Sehenswürdigkeiten der ukrainischen Hauptstadt, ein mit türkis- und goldfarbenen Kuppeln abgeschlossenes barockes Bauwerk.

Auch der russische Präsident schaltete sich am Dienstag ein. Kremlsprecher Dmitrij Peskow erklärte, dass "wir sehr aufmerksam und mit großer Sorge die Beziehungen zwischen der russisch-orthodoxen Kirche und dem Patriarchat von Konstantinopel verfolgen". Einerseits werde sich der Staat nicht einmischen in kirchliche Belange. Andererseits aber "hoffen wir natürlich, dass die Interessen der russischen Orthodoxie eingehalten werden". Schließlich sei diese eine der Hauptreligionen in Russland, sagte Peskow.

Sie ist sogar mehr als das; sie ist eine der informellen, aber großen unterstützenden Säulen des russischen Staates und damit auch für Präsident Wladimir Putin wichtig. Von den mehr als 220 Millionen orthodoxen Christen in der Welt gehören die weitaus meisten, etwa 160 Millionen, der russisch-orthodoxen Kirche an. Im Streit mit Kiew und Konstantinopel droht sie nun viele Kirchen und Millionen von Gläubigen zu verlieren.

Auch in Deutschland hat der Kirchenstreit Konsequenzen. Der Leiter der Diözese der russisch-orthodoxen Auslandskirche, Erzbischof Mark, erklärte, dass die drei orthodoxen Bischöfe sich aus der Orthodoxen Bischofskonferenz zurückziehen würden. "Das ist sehr schmerzhaft", sagte er der Katholischen Nachrichten-Agentur, "aber wir können nicht auch nur indirekt gutheißen, was da gegen die Orthodoxie in der Ukraine und in Russland geschieht".

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