Krieg in der Ukraine:Putin nutzt Weizen als Faustpfand

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Getreide aus der Ukraine wird dringend benötigt, vor allem in armen Ländern wie Jemen, die von Weizenimporten abhängig sind. (Foto: Saleh Al-Obeidi/AFP)

Russlands Präsident macht Getreideexporte aus der Ukraine davon abhängig, dass der Westen Sanktionen streicht. Ärmere Länder in Afrika stehen vor einer Lebensmittelkrise.

Von Robert Roßmann, Berlin

Russlands Präsident Wladimir Putin versucht in Gesprächen über den Ukraine-Krieg offenbar, die Angst vor Lebensmittelengpässen auszunutzen. Am Samstag telefonierten Bundeskanzler Olaf Scholz und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron mit Putin. Dabei soll der russische Präsident nicht nur vor der Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine gewarnt haben. Diese berge das Risiko einer weiteren Destabilisierung der Lage, sagte Putin laut einer vom Kreml veröffentlichten Mitteilung. Ihr zufolge hat der russische Präsident außerdem die Bereitschaft seines Landes erklärt, den Getreideexport zu erleichtern, dazu gehöre "auch der Export ukrainischen Getreides von Häfen des Schwarzmeeres aus". Putin macht gleichzeitig aber klar, dass er dafür den Abbau von Sanktionen verlangt. Die Ukraine ist einer der größten Getreideproduzenten der Welt. Weil das Getreide aktuell nicht exportiert werden kann, stehen ärmere Importländer etwa in Afrika vor einer Lebensmittelkrise.

Die Bundesregierung hat mehrmals darauf hingewiesen, dass es gar keine Sanktionen westlicher Staaten gibt, die Nahrungsmittellieferungen betreffen. Trotzdem befürchtet man, dass wegen des zu erwartenden Mangels der Rückhalt in vielen Staaten für den strikten Umgang mit dem Aggressor Russland schwinden könnte. Darauf setzt jetzt offensichtlich Putin, der den Eindruck zu erwecken versucht, dass die Knappheit durch westliche Sanktionen verursacht wird - und nicht durch den von ihm begonnenen Angriffskrieg und dadurch unterbrochene Lieferketten. Außenministerin Annalena Baerbock hatte Putin deshalb bereits aufgefordert, Lieferungen über die ukrainischen Häfen zu ermöglichen - und ihm Schuld an drohenden Hungerkatastrophen gegeben.

Regierungssprecher Steffen Hebestreit teilte nach dem 80-minütigen Telefonat von Scholz und Macron mit Putin mit, der Bundeskanzler und der französische Präsident hätten dabei "auf einen sofortigen Waffenstillstand und einen Rückzug der russischen Truppen" gedrängt. Außerdem hätten sie Putin "zu ernsthaften direkten Verhandlungen mit dem ukrainischen Präsidenten" aufgerufen. Scholz und Macron hätten mit Putin außerdem über die angespannte Lage auf dem Lebensmittelmarkt gesprochen. Dabei habe Putin "versichert, den Getreideexport aus der Ukraine, insbesondere auf dem Seeweg, ermöglichen zu wollen". Außerdem habe Putin zugesagt, "dass eine Öffnung des Minengürtels, der zum Schutz der ukrainischen Häfen gelegt worden ist, um den Export von Getreide via Schiffen zu ermöglichen, seitens Russland nicht für Angriffshandlungen missbraucht werden würde". Konkretere Zusagen Putins wurden nicht bekannt.

Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij rief in einem Gespräch mit den britischen Premier Boris Johnson zum Kampf gegen eine Lebensmittelkrise auf. Dazu müssten die Häfen der Ukraine am Schwarzen Meer von der Blockade befreit werden, verlangte Selenskij. Johnson und Selenskij seien sich einig, dass Russland diese Blockade aufgeben und sichere Schiffsrouten gewährleisten müsse, hieß es nach dem Gespräch aus dem Amt des britischen Premiers.

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