Russland und die Nato:Putins betont entspannte Haltung

Russland: Wladimir Putin während einer Zeremonie im Kreml

Wladimir Putin während einer Zeremonie Mitte Juni im Kreml

(Foto: MIKHAIL METZEL/AFP)

Finnland und Schweden werden Nato-Mitglieder, der Westen verhängt Sanktionen und russische Truppen ziehen sich von der Schlangeninsel zurück: Laut dem Kreml läuft alles nach Plan.

Von Nicolas Freund

Kritiker des Nato-Beitritts von Schweden und Finnland hatten oft als Argument hervorgebracht, eine solche Nato-Norderweiterung würde den russischen Präsidenten Wladimir Putin unnötig provozieren. Abgesehen davon, dass der angeblich Provozierende in der Regel ohnehin keinen Einfluss darauf hat, was jemand anders als Affront wahrnimmt oder nicht, hat Putin den Beitritt eher locker aufgenommen. Bei seinem Besuch in der turkmenischen Hauptstadt Aschgabat auf die neuen Nato-Ländern angesprochen, antwortete er: "Es gibt nichts, was uns mit Blick auf eine Mitgliedschaft Finnlands und Schwedens in der Nato Sorgen machen würde. Wenn sie wollen - bitte."

Tatsächlich haben die beiden Länder ohnehin bereits eng mit der Nato kooperiert. Putin stellte es aber trotz seiner entspannten Haltung so dar, als würde Russland von Finnland und Schweden nun zu einer Reaktion gezwungen. "Sie müssen sich klar und deutlich vorstellen, dass es für sie früher keine Bedrohungen gab - aber werden dort jetzt Truppen stationiert und Infrastruktur eingerichtet, so werden wir gespiegelt antworten müssen und dieselben Bedrohungen für das Territorium schaffen, von dem aus wir bedroht werden. Alles war gut zwischen uns, aber jetzt wird es irgendwelche Spannungen geben - das ist offensichtlich, zweifelsfrei, ohne geht es nicht."

Vor allem in Finnland sieht man das wahrscheinlich etwas anders. Es war längst nicht alles gut zwischen den beiden Ländern, Russland wurde von Helsinki seit Jahrzehnten als Bedrohung wahrgenommen. Putin versucht die Lage nun aber so darzustellen, als gingen die Spannungen von den neuen Nato-Mitgliedern aus. Obwohl Putin sagte, Schweden und Finnland seien ganz andere Fälle als die Ukraine, ist das dann doch nicht so weit weg von seinen Argumenten für den Überfall auf das Nachbarland. Von diesem sei als potenziellem EU- und Nato-Mitglied, das zu einem "Anti-Russland" habe werden sollen, eine Bedrohung ausgegangen. Auch das wiederholte er in Aschgabat noch einmal.

Der Angriffskrieg laufe "ruhig" und "rhythmisch"

In der Ukraine laufe übrigens alles nach Plan, ließ er die Journalisten in Turkmenistan außerdem wissen. "Die Arbeit läuft ruhig, rhythmisch, die Truppen bewegen sich und erreichen die Linien, die ihnen als Etappenziele vorgegeben wurden", sagte Putin, als habe er die russische Armee auf eine Schnitzeljagd und nicht in einen Krieg geschickt. Er wiederholte auch wieder die umdefinierten Kriegsziele: Man wolle den Donbass "befreien" und die Einwohner "schützen", es ging um "die Sicherheit Russlands". Für die russischen Soldaten in der Ukraine wünschte er sich, dass Lieder und Gedichte über sie geschrieben werden. Auf die Kriegsverbrechen, die russischen Soldaten vorgeworfen werden, ging er nicht ein.

Ganz nach den Kriegsplänen des Kremls muss dann wohl auch der Rückzug der russischen Armee von der Schlangeninsel im Schwarzen Meer abgelaufen sein. Die Insel war im Februar von Russland eingenommen worden, am Donnerstag twitterte Andrij Jermak, der Leiter des ukrainischen Präsidialamtes: "Kaboom! Keine russischen Truppen mehr auf der Schlangeninsel." Kaboom gemacht hatte wohl die ukrainische Artillerie, deren Beschuss die Russen von der Insel vertrieb. Moskau stellte die Situation etwas anders dar: Man habe sich als "Geste des guten Willens" zurückgezogen, um einen Korridor für den Getreidetransport aus der Ukraine nicht zu behindern. Warum die russischen Soldaten auf der kleinen Insel solche Transporte gestört hätten, blieb das Geheimnis des Kremls.

Putin war eigentlich nach Turkmenistan gereist, um auch wegen der westlichen Sanktionen gegen Russland die Zusammenarbeit mit Ländern Zentralasiens wie Iran, Kasachstan, Turkmenistan und Aserbaidschan auszubauen, besonders im Energiebereich. Am Donnerstag, zurück in Sankt Petersburg, kritisierte Putin dann die Sanktionen erneut scharf. Dmitrij Medwedjew, stellvertretender Vorsitzender des russischen Sicherheitsrates, äußerte sich ebenfalls zu dem Thema: "Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass solche feindseligen Maßnahmen unter bestimmten Umständen auch als ein Akt internationaler Aggression gewertet werden können. Und sogar als Casus Belli", also als Kriegsgrund. Obwohl die Nato angekündigt hat, ihre Truppen im Osten massiv aufzustocken, scheint man derzeit nicht davon auszugehen, dass Russland zu einer Militäroperation jenseits der Ukraine in der Lage ist. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte, Russland sei für den Moment voll auf die Ukraine konzentriert.

Am Donnerstag traf Putin dann noch den indonesischen Präsidenten Joko Widodo. Dieser hatte zuvor in Kiew mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij gesprochen. Indonesien ist im Herbst Gastgeber des G-20-Gipfels, zu dem auch Putin eingeladen ist. Ob er an diesem physisch teilnimmt, ist noch unklar. Mancher könnte es als Provokation verstehen.

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