Infrastruktur:Den Totalschaden bisher vermieden

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Die Stromproduktion ist dramatisch gesunken, doch das Netz funktioniert noch: Umspannwerk in Charkiw nach einem russischen Angriff im September 2022. (Foto: Kostiantyn Liberov/AP)

Trotz aller russischen Angriffe und schwerer Schäden hat sich die zivile Infrastruktur der Ukraine als relativ widerstandsfähig erwiesen.

Von Nicolas Freund

Das russische Militär versucht, nicht nur die ukrainischen Streitkräfte mit Bomben und Raketen zu bezwingen. Vor allem im Winter wurde immer wieder auch die zivile Infrastruktur zum Ziel von Luftangriffen. Der ukrainischen Regierung zufolge sind seit Oktober 2022 mehr als 1500 Raketen und Drohnen auf Kraftwerke, Umspannwerke und andere wichtige Einrichtungen für die Energieversorgung abgefeuert worden, mehr als 100 davon konnten nicht abgefangen werden. Besonders in der Frühphase des Krieges sind zudem auch Gleise und Bahnhöfe angegriffen worden. Die Ukraine hat sich gegenüber diesen Attacken stets als resilient erwiesen, die Schäden und Ausfälle in allen Bereichen der Infrastruktur sind dennoch beträchtlich.

Strom

Laut einem Bericht der Vereinten Nationen und der Weltbank von März 2023 ist die Stromproduktion in der Ukraine um 61 Prozent zurückgegangen - als Resultat der Angriffe. Strom, der in den von Russland besetzten Gebieten produziert wird, werde auch nicht mehr in das nationale Netz der Ukraine eingespeist. Außerdem sollen 41 von 94 Transformator-Stationen zerstört oder beschädigt sein, was auch die Stromverteilung zwischen dem Osten und Westen der Ukraine erschwere. Die Versorgung ist deshalb insgesamt stark beeinträchtigt, im Winter wurde der Strom in manchen Regionen immer wieder kontrolliert abgeschaltet. Teilweise ist deshalb auch die Wasserversorgung unterbrochen gewesen. Viele Ukrainer versorgten sich selbst über Generatoren mit Strom. Inzwischen scheint das Energienetz wieder relativ stabil zu sein. Um die Stromversorgung für den kommenden Winter fit zu machen, sollen aber Investitionen von einer Milliarde US-Dollar nötig sein. Mittelfristig soll eine effizientere Energienutzung gefördert und langfristig die Infrastruktur auf erneuerbare Energien umgestellt sowie dezentralisiert werden. Das würde dann auch mögliche Angriffe erschweren.

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Gas, Heizung, Benzin

Auch die Gas- und Wärmeversorgung ist von den russischen Angriffen stark beeinträchtigt worden. Von 16 Heizkraftwerken sollen im Frühjahr elf beschädigt und nicht einsatzbereit gewesen sein. Manche Kraftwerke produzieren sowohl Strom als auch Wärme. Die Schäden sollen auch hier mehrere Milliarden US-Dollar betragen. Gaspipelines wurden ebenfalls getroffen, aber wohl bereits teilweise wieder repariert. Auch die Gasverteilerstationen sollen größtenteils noch einsatzbereit und in Betrieb sein. Für den kommenden Winter wird es aber wahrscheinlich nötig sein, einen Überschuss an Produktionskapazitäten bereitzuhalten, um mögliche Angriffe auf die Infrastruktur kompensieren zu können. Obwohl auch Tankstellen und Treibstoffdepots getroffen wurden, konnte ein im vergangenen Jahr drohender Benzinmangel bislang abgewendet werden.

Internet

Wegen der Stromausfälle ist auch das Internet in Teilen der Ukraine immer wieder ausgefallen. Anders als erwartet, erweisen sich die Telekommunikationskanäle trotz des Krieges aber insgesamt als relativ stabil, was wohl auch damit zu tun hat, dass die russische Armee ebenfalls teilweise auf das Telefonnetz angewiesen ist. Die oft nicht ganz verlässliche Internetverbindung hat aber wahrscheinlich weiter zur Abwanderung qualifizierter Arbeitskräfte beigetragen und laut dem Bericht der Weltbank durch verzögerte Banktransfers zu wirtschaftlichem Stillstand geführt. Viele Ukrainer halfen sich aber auch beim Thema Internet selbst: Der satellitengestützte Internetzugang Starlink, den Elon Musks Firma Space-X anbietet, wird in der Ukraine sowohl von Unternehmen als auch von der Armee genutzt.

Verkehr

Der Verkehr in der Ukraine ist in Teilen ebenfalls stark beeinträchtigt. Flugreisen aus und in das Land sind nach wie vor nicht möglich, einerseits wegen der anhaltenden russischen Luftangriffe, andererseits weil einige der Flughäfen bei Kämpfen beschädigt wurden. Exporte über das Meer finden praktisch nur noch wegen des Getreideabkommens statt, das die Ausfuhr von Lebensmitteln über das Schwarze Meer mit Kontrollen in Istanbul gewährleistet. Das Straßennetz ist größtenteils benutzbar, in den ehemals besetzten Gebieten kam es in der Vergangenheit aber vereinzelt zu Unfällen mit Minen. Es wird geschätzt, dass es Jahrzehnte dauern könnte, die von den Kriegsparteien ausgelegten Minen zu entschärfen. Trotz Angriffen auf das Schienennetz gilt die Bahn in der Ukraine als sehr verlässlich. Auch die Armee nutzt das weitverzweigte Schienennetz intensiv. Nach wie vor verkehren oft mehrmals täglich Züge zwischen ukrainischen Städten und auch ins Ausland, wie nach Polen, von wo aus es direkte Verbindungen nach Kiew gibt.

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