Reaktionen aus Deutschland:"Dunkler Tag" - "Albtraum" - "Tag der Schande"

Reaktionen aus Deutschland: Bundeskanzler Olaf Scholz reagiert mit scharfen Worten auf den russischen Angriff auf die Ukraine: "Dies ist ein dunkler Tag für Europa."

Bundeskanzler Olaf Scholz reagiert mit scharfen Worten auf den russischen Angriff auf die Ukraine: "Dies ist ein dunkler Tag für Europa."

(Foto: Michele Tantussi/AP)

Die Bundesregierung reagiert mit Entsetzen und scharfen Worten auf den Kriegsbeginn. Der Bundeskanzler telefoniert mit dem ukrainischen Präsidenten, die Außenministerin kündigt "massivste Sanktionen" gegen Russland an.

Von Stefan Braun, Berlin

Entsetzen, Zorn, starke Worte - der Kriegsausbruch in der Ukraine hat auch in Berlin seit dem frühen Morgen heftige Reaktionen ausgelöst. Vom Bundeskanzler abwärts meldeten sich zahlreiche Ministerinnen und Minister zu Wort, und der Tenor ist einhellig: Diese "Schande" werden wir Wladimir Putin nicht vergessen.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) war einer der Ersten, der schon früh am Morgen den Angriff scharf verurteilte. Scholz sprach in Berlin von einem "eklatanten Bruch des Völkerrechts". Und weiter: "Dies ist ein furchtbarer Tag für die Ukraine und ein dunkler Tag für Europa." Deutschlands Solidarität gelte der Ukraine und ihren Menschen. "Russland muss diese Militäraktion sofort einstellen", sagte der Bundeskanzler und fügte hinzu: "Im Rahmen der G 7, der Nato und der EU werden wir uns heute eng absprechen."

Bei einem Auftritt im Kanzleramt sagte Scholz wenig später, Putin bringe "Leid und Zerstörung" über seine Nachbarn. Dafür gebe es keinerlei Rechtfertigung. "Das ist Putins Krieg", so der Bundeskanzler. Direkt an den russischen Präsidenten gerichtet betonte Scholz, dafür werde Russland einen "bitteren Preis" bezahlen. "Putin hat einen schweren Fehler begangen."

Den östlichen Nachbarn in Nato und EU sicherte Scholz die volle Unterstützung zu. Deutschland verstehe ihre großen Sorgen. Mit Blick auf die östlichen Partner in EU und Nato betonte der Kanzler: "Wir werden an Eurer Seite stehen."

Scholz kündigte eine ganze Palette an Initiativen an, noch am Nachmittag werde er als derzeitiger G7-Vorsitzender mit den Staats- und Regierungschefs sprechen, am Abend werde er nach Brüssel zum Sondergipfel der EU fliegen. Und gemeinsam mit Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron werde er sich darum bemühen, dass sich die Spitzen von Nato und EU alsbald persönlich zusammenfinden, um über die Krise und ihre Folgen zu sprechen. Jetzt sei es entscheidend, dass man eine "einheitliche und klare Politik" gegenüber Putin verfolge.

Scholz hat nach Angaben seines Regierungssprechers mittlerweile auch mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij telefoniert. Der Kanzler habe der Ukraine "die volle Solidarität Deutschlands in dieser schweren Stunde" versichert, twitterte Regierungssprecher Steffen Hebestreit.

Auch Außenministerin Annalena Baerbock übte harsche Kritik am russischen Militäreinsatz. "Mit dem Angriff auf die Ukraine bricht Russland mit den elementarsten Regeln der internationalen Ordnung. Die Weltgemeinschaft wird Russland diesen Tag der Schande nicht vergessen", schrieb die Grünen-Politikerin am Donnerstag in einer ersten Reaktion auf Twitter. Deutschland werde gemeinsam mit Partnern reagieren. "Unsere ganze Solidarität gilt der Ukraine", schrieb Baerbock.

Baerbock wandte sich wenig später auch direkt an die deutsche Bevölkerung. "Liebe Mitbürgerinnen und liebe Mitbürger, wir sind heute in einer anderen Welt aufgewacht", sagte sie in einer Pressekonferenz am Vormittag. Russland habe den Konflikt durch Lügen und Propaganda lange vorbereitet. "Russland allein hat diesen Weg gewählt", betonte sie und verwies auf zurückgewiesene Gesprächsangebote. "Die Ukrainerinnen und Ukrainer haben nichts getan, was dieses Blutvergießen rechtfertigt." Der russische Präsident Wladimir Putin wolle demokratische Tendenzen in der Ukraine zerstören. Doch das werde ihm nicht gelingen: "Präsident Putin, diesen Traum werden Sie niemals zerstören können". sagte Baerbock. Auch in Russland würden sich viele Menschen für das Vorgehen ihrer Führung schämen. "Wir sind alle fassungslos, aber wir sind nicht hilflos", betonte die Außenministerin.

Sie kündigte an, dass man sich im Rahmen von G7, Nato und EU im Laufe des Tages abstimmen werde. "Wir werden das volle Paket mit massivsten Sanktionen gegen Russland auf den Weg bringen." Baerbock rief zudem alle UN-Staaten auf, sich der russischen Aggression entgegenzustellen. "Dieser Krieg in unserer Nachbarschaft wird auch für uns in Deutschland Folgen haben", sagte Baerbock und verwies auf steigende Energiepreise und fallende Aktienkurse. Man müsse aber nun entschlossen für die europäische Friedensordnung eintreten, die seit Jahrzehnten Grundlage für Wohlstand und Frieden sei. Wenn man dies nicht tue, müsse man einen noch höheren Preis bezahlen.

Auch Bundesfinanzminister Christian Lindner kündigte harte Reaktionen des Westens gegen Russland an. Der Angriff auf die Ukraine sei "ein Albtraum", twitterte der FDP-Politiker. "Putin hat sich als Lügner entlarvt." Gemeinsam mit den Partnern aus EU, Nato und G 7 sei man solidarisch mit der Ukraine. "Der Kreml wird harte Sanktionen erfahren", schrieb Lindner.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck zeigte sich entsetzt über den russischen Angriff auf die Ukraine. "Nun ist das Unfassbare geschehen. Russland greift die Ukraine an", sagte der Vizekanzler. "Wir haben einen Landkrieg in Europa, von dem wir dachten, er sei nur noch in Geschichtsbüchern zu finden. Es ist ein schamloser Bruch des Völkerrechts, wir verurteilen ihn auf das Schärfste." Dieser Tag sei eine Zäsur für Europa und die Welt. Diese bewusst herbeigeführte russische Aggression werde Leid über viele Menschen bringen. "Alle Kraft und Solidarität gilt der ukrainischen Bevölkerung", sagte Habeck. "Für Russland wird dieser Angriff schwere politische und wirtschaftliche Konsequenzen haben."

Das Auswärtige Amt hat deutsche Staatsangehörige in der Ukraine erneut und dringend aufgefordert, das Land zu verlassen. "In der Ukraine finden Kampfhandlungen und Raketenangriffe statt", schrieb das Auswärtige Amt am Donnerstag auf Twitter. "Falls Sie das Land nicht auf einem sicheren Weg verlassen können, bleiben Sie vorläufig an einem geschützten Ort."

Auch die Opposition meldete sich entsetzt zu Wort. Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz sagte, bei dem Angriff handele es sich nicht nur um einen Krieg gegen die Ukraine. "Das ist ein Krieg gegen die Demokratie und unsere Freiheit." Putin, so Merz weiter, fühle sich nicht von der Nato bedroht, sondern von den Demokratiebewegungen in der Ukraine und in Belarus. Dass die Nato Putin bedrohe, sei "ein Popanz der russischen Propaganda schon seit vielen Wochen und Monaten". Die Nato bedrohe niemanden. Die Verschärfung der Tonlage habe begonnen, als es monatelange Proteste gegen die gefälschten Wahlen in Belarus gegeben habe. Putin habe große Angst davor, dass sein politisches System in Russland und sein Umfeld bedroht würden durch die Freiheits- und Demokratiebewegungen in seiner Nachbarschaft. Gegen diese führe er jetzt Krieg, sagte Merz.

CSU-Chef Markus Söder signalisierte Unterstützung für die Haltung der Bundesregierung und sprach sich für ein geschlossenes Vorgehen des Westens bei Wirtschaftssanktionen aus. "Es war zu befürchten, was jetzt passiert. Wir hatten immer noch alle gehofft, das lässt sich abwenden", sagte der bayerische Ministerpräsident in München. Es brauche eine Geschlossenheit "in jeder Beziehung". "Wir stehen auch als Bayern, als CSU, hinter all den Maßnahmen der Bundesregierung", sagte Söder. Zudem müsse alles getan werden, um die Ukraine zu unterstützen.

Nach einigem Zögern meldete sich auch die AfD zu Wort, die bisher stets Verständnis für Putins Kurs zeigte. Ihre beiden Fraktionsvorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla erklärten: "Der Angriff Russlands auf die Ukraine ist durch nichts gerechtfertigt. Russland muss die Kampfhandlungen umgehend einstellen und seine Truppen aus der Ukraine zurückziehen." Die Lösung zwischenstaatlicher Konflikte könne nur am Verhandlungstisch erfolgen. Allerdings drückten sie im Grundkonflikt zwischen Moskau und dem Westen wieder Verständnis für Putin aus. "In den Gesprächen müssen dem russischen Partner endlich glaubwürdige Angebote gemacht werden, die das gegenseitige Vertrauen wieder stärken", erklärten die beiden. Sie fügten, für die AfD sehr ungewöhnlich, hinzu: "Die Bundesregierung hat bei allen Versuchen, gemeinsam mit unseren Verbündeten eine friedliche Lösung des Konflikts herbeizuführen, die Unterstützung der AfD-Fraktion."

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