Süddeutsche Zeitung

Krieg in der Ukraine:Die Schlacht um Bachmut

Seit Tagen kämpfen ukrainische und russische Truppen erbittert um die Stadt im Donbass. Warum Bachmut für beide Seiten von strategischer Bedeutung ist.

Von Nicolas Freund

Die aktuellen Bilder aus Bachmut erinnern an Aufnahmen aus dem Ersten Weltkrieg: Soldaten, die völlig mit Schlamm bedeckt sind. Schützengräben, in denen knöcheltief das Wasser steht. Wälder, die verbrannten Baumstümpfen gewichen sind. Ganze Landstriche, bis zur Unkenntlichkeit umgepflügt vom ständigen Artilleriefeuer. Seit Tagen kursieren in sozialen Netzwerken solche Fotos und Videos von den brutalen Kämpfen um die Stadt im Osten der Ukraine.

Selbst wenn sie nicht alle verifizierbar sind, deckt sich das Grauen auf den Bildern doch mit den Berichten von Soldaten an der Front. "Bevor ich hierhergekommen bin, habe ich in der Region Cherson gearbeitet", erzählt ein Rettungswagenfahrer in der ukrainischen Zeitung Kyiv Post. "Das war hart, aber nicht so hart." Bachmut werde inzwischen "der Fleischwolf" genannt, sagt der Sanitäter. Die Verluste sollen auf beiden Seiten extrem hoch sein.

Russlands Streitkräfte melden kleine Geländegewinne

Seit Monaten wird um den Ort im Donbass gekämpft. Aber seitdem sowohl Russland als auch die Ukraine nach dem russischen Rückzug aus Cherson ihre Streitkräfte in diese Region verlegt haben, tobt die Auseinandersetzung noch intensiver. Die Kämpfe werden schon mit der Schlacht um die Städte Sjewjerodonezk und Lyssytschansk verglichen. Während sie langsam eingekesselt wurden, lieferten sich ukrainische Einheiten einen wochenlangen Zermürbungskampf mit der russischen Armee, um deren Vormarsch aufzuhalten. Bei Bachmut wird noch nicht in der Stadt selbst gekämpft, jedoch starten russische Soldaten immer wieder Sturmangriffe auf die ukrainischen Verteidigungslinien, liefern sich beide Seiten Artilleriegefechte.

Laut Armee der Ukraine gelingt es ihr bisher, die Angriffe abzuwehren. Dagegen melden Russlands Streitkräfte immer wieder kleinere Geländegewinne im Umland der Stadt. Manche Analysten wollen Aufnahmen geolokalisiert haben, auf denen sie solche Vormärsche verifizieren konnten. So sollen ein für die Wasserversorgung wichtiger Kanal im Süden der Stadt von russischen Truppen eingenommen worden und an verschiedenen Stellen der Front kleinere Durchbrüche gelungen sein. Diese Angaben sind nicht alle verifiziert. Schon die Menge der Meldungen lässt aber vermuten, dass die ukrainischen Truppen in der Region unter extremem Druck stehen und die russische Armee kleinere Erfolge vorzuweisen hat.

Bachmut ist für beide Seiten von strategischer Bedeutung, weil sich die Stadt wesentlich besser verteidigen lässt als das umliegende, flache Land. Es wird befürchtet, dass sich die ukrainischen Truppen bei einem russischen Erfolg in Bachmut möglicherweise bis Kramatorsk oder noch weiter zurückziehen müssten, was große Geländegewinne für die russische Armee bedeuten würde.

Trotz der brutalen Kämpfe sehen zumindest die Experten des Institute for the Study of War in Washington D.C. allerdings noch keine Anzeichen für einen Fall Bachmuts. Obwohl Russland hier auch Söldner der "Gruppe Wagner" einsetzt, seien die russischen Truppen in so schlechtem Zustand, dass eine Einkesselung der Stadt und damit eine Eroberung bisher nicht wahrscheinlich sei. Möglicherweise geht es Moskau aber auch eher darum, viele ukrainische Truppen an einem Ort zu binden und ihnen dort Verluste zuzufügen.

Obwohl die schwersten Gefechte nun rund um Bachmut stattfinden, gingen auch in der übrigen Ukraine die Angriffe weiter. Aus der Region Saporischschja mit dem gleichnamigen Atomkraftwerk wurde Beschuss mit Raketen gemeldet, allerdings diesmal nicht auf das AKW-Gelände. Unterdessen wirft Russland der Ukraine einen Raketenangriff auf sein Staatsgebiet vor: Im russischen Bezirk Kursk soll ein Kraftwerk getroffen worden sein, südöstlich davon sei teilweise der Strom ausgefallen. Auch diese Meldung konnte aber bisher nicht verifiziert werden.

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