Ukraine-Konflikt:Putins Rückkehr zur Kriegsrhetorik

Ukraine-Konflikt: Russlands Präsident Putin bei einemn Treffen des Sicherheitsrates im Kreml.

Russlands Präsident Putin bei einemn Treffen des Sicherheitsrates im Kreml.

(Foto: AFP)
  • Am Mittwoch gab der russische Inlandsgeheimdienst FSB bekannt, er habe eine Gruppe von "Diversanten" ausgehoben.
  • Sie sollen auf der Krim eine Reihe von Anschlägen geplant haben.
  • Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko wies die Vorwürfe umgehend zurück.
  • Der Waffenstillstand in der Ostukraine wurde jüngst immer wieder gebrochen, die Zahl der Opfer stieg.

Analyse von Julian Hans, Moskau

Erneut geschehen Dinge auf der Krim, die Rätsel aufgeben. Außer Frage steht nur, dass sich der seit mehr als zwei Jahren andauernde Konflikt zwischen Russland und der Ukraine wieder verschärft.

Am Mittwoch gab der russische Inlandsgeheimdienst FSB bekannt, er habe eine Gruppe von "Diversanten" ausgehoben, die auf der Halbinsel im Schwarzen Meer eine Reihe von Anschlägen verüben wollten - angeblich habe dies im Auftrag der ukrainischen Regierung geschehen sollen. Bei einem Schusswechsel seien ein FSB-Mitarbeiter und ein russischer Soldat getötet worden.

Das russische Staatsfernsehen zeigte Bilder, auf denen maskierte Männer Gegenstände aus Rucksäcken zogen, die wie Sprengstoff, Zünder und Munition aussahen. Die Festgenommenen - Staatsbürger der Ukraine und Russlands - seien geständig, hieß es dazu. Ihr Ziel sei es gewesen, auf dem Höhepunkt der Urlaubssaison die Touristen abzuschrecken und die Situation auf der Krim vor den russischen Parlamentswahlen am 18. September zu destabilisieren.

Die ukrainische Führung sei "zur Praxis des Terrors übergegangen, um von der erbärmlichen Lage der Wirtschaft abzulenken", erklärte der russische Präsident Wladimir Putin am Abend in Moskau. Unter diesen Umständen habe es "natürlich keinen Sinn, ein Treffen im Normandie-Format abzuhalten".

Erst Anfang der Woche hatten der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und sein russischer Kollege Sergej Lawrow telefonisch Überlegungen angestellt, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Präsidenten der Ukraine, Russlands und Frankreichs während des G-20-Gipfels in Peking im September wieder über den Konflikt in der Ostukraine beraten werden. Das Treffen haben die "Diversanten" - oder diejenigen, die diese Geschichte der Öffentlichkeit präsentierten - nun jedenfalls gesprengt.

Rückkehr zur Rhetorik des Jahres 2014

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko wies die Vorwürfe umgehend zurück: "Diese Fantasien sind nur ein weiterer Vorwand für die nächsten militärischen Drohungen gegen die Ukraine", sagte er am Donnerstag. Ein Sprecher des ukrainischen Militärgeheimdienstes hatte bereits zuvor im ukrainischen Fernsehen gesagt, weder habe der GUR Terroranschläge auf der Krim geplant, noch seien dessen Mitarbeiter vom FSB festgenommen worden. So stehen einstweilen die Aussagen zweier Präsidenten und ihrer Geheimdienste gegeneinander.

Putin griff die Regierung der Ukraine mit ungewöhnlich scharfen Worten an: "Diejenigen, die seinerzeit in Kiew die Macht an sich gerissen haben und sie weiter im Griff halten", würden nicht nach Kompromissen suchen und seien "statt nach einer friedlichen Lösung zu suchen zum Terror übergegangen".

Das ist eine Rückkehr zur Rhetorik des Jahres 2014, als sich der Konflikt auf seinem Höhepunkt befand und sowohl die russische Regierung als auch die russischen Staatsmedien die Maidan-Revolution stets als "bewaffneten Umsturz" bezeichneten und die Regierung als "Junta". Seit den Vereinbarungen von Minsk im Februar 2015 hatte der Kreml der ukrainischen Regierung nicht mehr die Legitimität abgesprochen.

Im vergangenen November sprengten Unbekannte Strommasten

Es sei auffällig, dass der Vorfall durch die Stellungnahme Putins sofort auf die oberste politische Ebene getragen worden sei, sagt der Moskauer Außenpolitik-Experte Wladimir Frolow. Die Ukraine könne eigentlich kein Interesse an einer Verschärfung der Auseinandersetzungen haben: "Wer einem überlegenen Gegner eine solche Vorlage für eine Militäroperation lieferte, müsste dumm sein oder ein Selbstmörder", sagte Frolow.

Es gebe allerdings auch die Möglichkeit, dass militante Aktivisten auf eigene Faust gehandelt hätten. So wie im vergangenen November, als Unbekannte Strommasten sprengten und damit vorübergehend die Stromversorgung der Halbinsel vom ukrainischen Festland unterbrachen. Krimatataren blockierten zwischenzeitlich die Grenzübergänge.

An einer neuerlichen militärischen Eskalation könne aber auch Moskau nicht interessiert sein, glaubt Frolow. Das würde alle Hoffnungen zunichte machen, die Sanktionen bald loszuwerden: "Die Umsetzung der Minsker Vereinbarungen kommt seit Monaten nicht voran. Da geht es eher darum, der anderen Seite die Verantwortung zuzuschieben".

Zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen auf der annektierten Halbinsel

Der Waffenstillstand in der Ostukraine wurde jüngst immer wieder gebrochen, die Zahl der Opfer stieg. Im Juni hatten die USA einen neuen Anlauf für Verhandlungen gestartet. Als Außenminister John Kerry zwei Tage lang in Moskau mit Putin und Außenminister Sergej Lawrow sprach, saßen zwischenzeitlich auch Victoria Nuland und Wladislaw Surkow mit am Tisch. Nuland ist im US-Außenministerium zuständig für Europa, Surkow ist im Kreml mit den zahlreichen eingefrorenen Konflikten in Russlands Peripherie befasst und hält auch den Kontakt zu den Separatisten.

Am Samstag explodierte ein Sprengsatz im Auto von Igor Plotnizki; der Anführer der selbsternannten "Volksrepublik Lugansk" überlebte. Putin brachte nun auch diesen Anschlag mit der Regierung in Kiew in Verbindung.

Poroschenko reagierte auf die Spannungen und ließ die ukrainische Armee am Donnerstag in Kampfbereitschaft versetzen. Das Militär habe genügend Mittel, um das Land verteidigen zu können, sagte der Sprecher des Generalstabes, Wladislaw Selesnjow. Die Lage in der Krim-Region behalte man im Blick. Putin ordnete nach einem Treffen mit dem nationalen Sicherheitsrat zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen auf der annektierten Halbinsel an. Diese sollten "zu Lande, im Wasser und in der Luft" umgesetzt werden, hieß es in einer vom Kreml veröffentlichten Erklärung des Präsidenten.

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