Ukraine-Konflikt:Nato will militärische Präsenz in Osteuropa erhöhen

  • Die Nato will in sechs osteuropäischen Mitgliedsländern dauerhaft militärisch präsent sein.
  • Stabszellen in diesen Länder sollen sicherstellen, dass im Ernstfall in kurzer Zeit Soldaten bereitstehen.
  • Einem Bericht zufolge soll die Eingreiftruppe ohne politischen Beschluss in ein mögliches Einsatzgebiet geschickt werde können, aus deutschen Regierungskreisen wird das dementiert.

Von Christoph Hickmann, Berlin

Die Nato will an ihrer Ostflanke dauerhaft militärische Präsenz zeigen. Auch die Bundeswehr soll sich daran beteiligen. Berliner Regierungskreise bestätigten in Grundzügen einen entsprechenden Bericht der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung über Beschlüsse, die beim Treffen der Nato-Verteidigungsminister am Donnerstag anstehen. Demnach soll in Estland, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien und Bulgarien jeweils eine sogenannte "Nato Force Integration Unit" entstehen, eine Stabszelle mit je etwa 40 Soldaten, die zur Hälfte der jeweilige Staat stellen soll. Deutschland will sich demnach mit insgesamt etwa 25 Soldaten beteiligen.

Hintergrund ist, wie bereits bei den Beschlüssen des Nato-Gipfels im September in Wales, der Konflikt um die Ukraine, der die östlichen Mitgliedstaaten der Allianz in ihrer Empfindung bestärkt hat, einer Bedrohung durch Russland ausgesetzt zu sein. Die Funktion der Stabszellen soll es dem Zeitungsbericht zufolge sein, Übungen der neuen schnellen Nato-Eingreiftruppe vorzubereiten. Außerdem sollen sie dieser Truppe im Ernstfall als Verbindungs- und Führungsstelle dienen.

Schnelle Reaktionszeit der Nato-"Speerspitze"

Die sogenannte Speerspitze soll es der Allianz ermöglichen, bei akutem Bedarf innerhalb weniger Tage mehrere Tausend Soldaten schicken zu können. Derzeit läuft die Testphase, an der das Deutsch-Niederländische Korps in Münster in führender Rolle beteiligt ist. Es war bereits vor Beginn des Ukraine-Konflikts für den Bereitschaftsdienst der schon damals existierenden Nato-Eingreiftruppe eingeteilt worden. Deren vorgesehene Reaktionszeit lag allerdings deutlich über der nun für die "Speerspitze" angestrebten Marke.

Ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums bestätigte, dass es "Überlegungen" zu den Stabszellen gebe, und verwies auf das Nato-Verteidigungsministertreffen, bei dem endgültige Entscheidungen fallen sollten. In Regierungskreisen wurde jedoch die Meldung relativiert, wonach zu einem späteren Zeitpunkt auch in Ungarn eine solche Stabszelle angesiedelt werden solle: Dies stehe noch nicht fest.

Regierungskreise: Truppenverlegung nur nach politischem Beschluss

Überdies traten deutsche Regierungskreise der Darstellung entgegen, wonach die schnelle Eingreiftruppe ohne politischen Beschluss in ein mögliches Einsatzgebiet geschickt werden könne. Dem entsprechenden Bericht zufolge ist im vorläufigen Nato-Konzept vorgesehen, dass der militärische Oberbefehlshaber der Allianz die Eingreiftruppe alarmiert, die dann von einem gemeinsamen Sammelpunkt aus ins Einsatzgebiet gebracht werden soll. Ein solches Vorgehen, hieß es weiter, schaffe Zeit für politische Beratungen sowohl auf Nato- als auch auf nationaler Ebene, etwa in Deutschland, wo der Bundestag zusammenkommen müsste. In deutschen Regierungskreisen hieß es dazu, ein solches Konzept würde Deutschland nicht mittragen. Die Entscheidung, die schnelle Eingreiftruppe der Allianz zu verlegen, müsse vielmehr auf politischer Ebene fallen.

In Militärkreisen wurde zudem im Grundsatz bestätigt, dass die Bundeswehr künftig Fallschirmjäger entsenden wolle, um US-Soldaten zu unterstützen, die bereits im Frühjahr des vergangenen Jahres ins Baltikum und nach Polen verlegt worden waren. Es handele sich allerdings "maximal" um eine Übungsbeteiligung, die im vergangenen Jahr beschlossen worden sei, hieß es dazu in Bundeswehrkreisen. Entsandt werden solle auch Unterstützungspersonal. Diese deutsche Beteiligung steht nicht in Zusammenhang mit dem Treffen der Nato-Verteidigungsminister, das unmittelbar vor der Münchner Sicherheitskonferenz am nächsten Wochenende stattfindet.

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