Ukraine-Konflikt:Moskaus grenzenlose Hilfe

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Moskau schürt den Konflikt in der Ostukraine - darauf deutet einiges hin. Das US-Außenministerium geht sogar davon aus, dass Russland die Rebellen aus der Grenzregion mit Raketenwerfern beliefert.

Von Florian Hassel, Makeewka

Es war ein ungewohnter Besuch für Wika Sadoraschnju und ihre Nachbarn. Drei Panzer hielten in der sonst ruhigen Nachbarschaft in Makeewka an, einer direkt an Donezk grenzenden Stadt im Osten der Ukraine. "Die Besatzungen der Panzer stiegen aus, um sich Wasser zu besorgen", erzählt Sadoraschnju. "Als wir sie reden hörten, sprachen sie nicht wie Ukrainer, sondern in lupenreinem Russisch." Seit dem Auftauchen der Panzer hat Sadoraschnju "keinen Zweifel mehr daran, dass die Russen beim Krieg in unserer Heimat mitmachen".

Tatsächlich sind Berichte über russische Söldner oder Panzer mit russischen Besatzungen, wie sie die Süddeutsche Zeitung auch von anderen Einwohnern im Osten der Ukraine hört, nur eines von etlichen Indizien dafür, dass Moskau den Konflikt zunehmend schürt. Auch die Kiewer Regierung verstärkte zuletzt ihre militärische Offensive um die Großstädte Donezk und Lugansk - Verhandlungen zur Beendigung des Konflikts haben zumindest im Moment wenig Aussicht auf Erfolg.

Verluste auf beiden Seiten wachsen

Zwar nutzten Bundeskanzlerin Angela Merkel und Präsident Wladimir Putin das WM-Finale in Rio zu einem persönlichen Gespräch über die Ukraine-Krise. Das Präsidialamt in Kiew bestätigte am Dienstag zudem ein Telefonat der Kanzlerin mit Präsident Petro Poroschenko und fügte hinzu, Kiew wolle Kontakt zu den Rebellen aufnehmen. Dies hat Kiew freilich bereits im Juni nach einer kurzen Feuerpause schon getan, ohne dass etwas dabei herauskam. Nun soll es erst eine Videobrücke geben, dann möglicherweise auch direkte Treffen einer Kontaktgruppe aus Vertretern der Ukraine, der Separatisten, Russlands und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), womöglich unter Beteiligung Frankreichs und Deutschlands. Am Mittwoch wollen die Staats- und Regierungschefs der EU erneut über die Ukraine-Krise und mögliche neue Sanktionen gegen Moskau beraten.

Wache im Garten: Ein Angehöriger einer ukrainischen Sonderpolizei-Einheit im Dorf Semenowka im Osten der Ukraine. (Foto: Gleb Garanich/Reuters)

Im Konfliktgebiet spricht alles für eine weitere Zuspitzung. Die Verluste auf beiden Seiten wachsen: Am Dienstag starben weitere sechs ukrainische Soldaten bei Angriffen der Separatisten. Ende vergangener Woche wurden bei einem Raketenangriff der Rebellen auf ein ukrainisches Armeelager mindestens 23 Soldaten getötet. Ein Sprecher der selbsternannten "Volksrepublik Lugansk", neben Donezk die zweite Hochburg der Rebellen, gab wiederum Verluste in den eigenen Reihen zu.

Auch Zivilisten sind immer öfter in der Schusslinie: Am Dienstag kamen in der Stadt Snischne nahe der russischen Grenze mindestens vier Zivilisten durch einen Luftangriff ums Leben, den die Separatisten Kiew zuschreiben. Am Sonntag starben durch eine fehlgegangene Granate im Dorf Marijinka laut Berichten westlicher Reporter zwölf Einwohner.

Schlagzeilen macht auch der Fall eines am Montag abgeschossenen ukrainischen Militärflugzeugs, das laut Verteidigungsminister Walerij Heletej in einer Höhe von 6500 Metern flog und nicht von den Rebellen abgeschossen wurde, sondern "durch eine andere, mächtigere Rakete, die wahrscheinlich vom russischen Gebiet abgeschossen wurde"; Moskau indes dementierte diese Behauptung. Der Kreml konterte mit einer angeblich am Sonntag vom ukrainischen Militär auf russisches Gebiet abgefeuerten Granate. Solche Ereignisse verblassen indes vor dem sich verstärkenden Krieg um Donezk und Lugansk - und vor der offenbar zunehmenden Unterstützung der Rebellen durch russische Panzer, Schützenpanzer, Granaten und Söldner. Nicht nur in Makeewka, sondern auch in Donezk oder Slawjansk berichteten Einwohner in den vergangenen Tagen, dass zunehmend Panzer und offenbar russische Söldner auftauchten.

Der ukrainische Außenminister Pawel Klimkin übergab westlichen Botschaftern in Kiew Video- und Fotomaterial über die seiner Darstellung nach immer umfangreichere militärische Hilfe Moskaus für die Separatisten. Allein am 13. Juli soll eine Kolonne von etwa 100 Panzerfahrzeugen aus Russland in die Ukraine gefahren sein.

"Humanitäre Hilfe"

Das US-Außenministerium bestätigte, dass "Moskau den Separatisten kürzlich mehrere Panzer und Artillerie aus sowjetischer Zeit übergeben hat und dass am Wochenende mehrere Militärfahrzeuge die Grenze überquert haben". Russland habe den Rebellen von einem Militärstützpunkt nahe der ukrainischen Grenze bereits Panzer und Raketenwerfer geliefert. Jetzt ziehe Moskau auf dem gleichen Stützpunkt weitere, "bedeutende Mengen" von der russischen Armee aussortierter Panzer, Schützenpanzer, Raketenwerfer und Flugabwehrgeschütze zusammen - offenbar, um sie den Separatisten zu übergeben.

Auch in umgekehrter Richtung sind die Aktivitäten offenbar beachtlich: Die von den Separatisten abgeschossene ukrainische Pilotin Nadia Sawtschenko wird in einem Gefängnis im russischen Woronesch gefangen gehalten. Laut dem US-Außenministerium soll Moskau Rebellen der "Volksrepublik Donezk" erlaubt haben, ein Rekrutierungsbüro in Moskau zu eröffnen. Die Rebellen selber preisen im Internet offen die Unterstützung etwa des Gouverneurs der Grenzregion Rostow bei ihren Bemühungen um "humanitäre Hilfe".

© SZ vom 16.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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