Es war ein ungewohnter Besuch für Wika Sadoraschnju und ihre Nachbarn. Drei Panzer hielten in der sonst ruhigen Nachbarschaft in Makeewka an, einer direkt an Donezk grenzenden Stadt im Osten der Ukraine. "Die Besatzungen der Panzer stiegen aus, um sich Wasser zu besorgen", erzählt Sadoraschnju. "Als wir sie reden hörten, sprachen sie nicht wie Ukrainer, sondern in lupenreinem Russisch." Seit dem Auftauchen der Panzer hat Sadoraschnju "keinen Zweifel mehr daran, dass die Russen beim Krieg in unserer Heimat mitmachen".
Tatsächlich sind Berichte über russische Söldner oder Panzer mit russischen Besatzungen, wie sie die Süddeutsche Zeitung auch von anderen Einwohnern im Osten der Ukraine hört, nur eines von etlichen Indizien dafür, dass Moskau den Konflikt zunehmend schürt. Auch die Kiewer Regierung verstärkte zuletzt ihre militärische Offensive um die Großstädte Donezk und Lugansk - Verhandlungen zur Beendigung des Konflikts haben zumindest im Moment wenig Aussicht auf Erfolg.
Verluste auf beiden Seiten wachsen
Zwar nutzten Bundeskanzlerin Angela Merkel und Präsident Wladimir Putin das WM-Finale in Rio zu einem persönlichen Gespräch über die Ukraine-Krise. Das Präsidialamt in Kiew bestätigte am Dienstag zudem ein Telefonat der Kanzlerin mit Präsident Petro Poroschenko und fügte hinzu, Kiew wolle Kontakt zu den Rebellen aufnehmen. Dies hat Kiew freilich bereits im Juni nach einer kurzen Feuerpause schon getan, ohne dass etwas dabei herauskam. Nun soll es erst eine Videobrücke geben, dann möglicherweise auch direkte Treffen einer Kontaktgruppe aus Vertretern der Ukraine, der Separatisten, Russlands und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), womöglich unter Beteiligung Frankreichs und Deutschlands. Am Mittwoch wollen die Staats- und Regierungschefs der EU erneut über die Ukraine-Krise und mögliche neue Sanktionen gegen Moskau beraten.
Wache im Garten: Ein Angehöriger einer ukrainischen Sonderpolizei-Einheit im Dorf Semenowka im Osten der Ukraine.
(Foto: Gleb Garanich/Reuters)Im Konfliktgebiet spricht alles für eine weitere Zuspitzung. Die Verluste auf beiden Seiten wachsen: Am Dienstag starben weitere sechs ukrainische Soldaten bei Angriffen der Separatisten. Ende vergangener Woche wurden bei einem Raketenangriff der Rebellen auf ein ukrainisches Armeelager mindestens 23 Soldaten getötet. Ein Sprecher der selbsternannten "Volksrepublik Lugansk", neben Donezk die zweite Hochburg der Rebellen, gab wiederum Verluste in den eigenen Reihen zu.
Auch Zivilisten sind immer öfter in der Schusslinie: Am Dienstag kamen in der Stadt Snischne nahe der russischen Grenze mindestens vier Zivilisten durch einen Luftangriff ums Leben, den die Separatisten Kiew zuschreiben. Am Sonntag starben durch eine fehlgegangene Granate im Dorf Marijinka laut Berichten westlicher Reporter zwölf Einwohner.