Manaki Brüder Festival in Bitola:Wie eine Familienfeier

Lesezeit: 3 min

Rainer Klausmann, Fatih Akin und Gena Teodosievska, künstlerische Leiterin des Manaki Brüder Festivals (v.l.n.r.), stellen Akins neuesten Film "Der Goldene Handschuh" in Bitola vor. (Foto: Festival)

Beim Manaki Brüder Festival in Bitola genießen Regisseur Fatih Akin und sein Schweizer Kameramann Rainer Klausmann die Atmosphäre des Festivals, die so familiär ist, wie bei kaum einer anderen Filmschau. Sie verraten viel über ihr sehr vertrauensvolles und langjähriges Arbeitsverhältnis.

Von Paul Katzenberger

Die Menschen, die im Filmgeschäft die Kamera bedienen, sind meistens deutlich weniger bekannt als die Schauspieler, die vor der Kamera stehen, oder die Regisseure, die die Gesamtverantwortung für einen Film tragen. Das bedeutet aber nicht, dass Kameraleute für einen Film weniger wichtig sind, als Darsteller oder Regisseure. Denn, wenn die Bildsprache nicht stimmt, kann die Regie und die schauspielerische Leistung noch so gut sein, und es kommt trotzdem kein guter Film dabei heraus.

Zwei Festivals in Europa würdigen die große Bedeutung von Kameraleuten für die Filmkunst: Das Camerimage-Festival im polnischen Torun und das Manaki Brüder Festival im nordmazedonischen Bitola. Auf beiden Festivals tummeln sich die besten Kameraleute der Welt. Oscar-Preisträger Roger Deakins etwa, der elf Filme für die Coen-Brüder realisiert hat, war bereits drei Mal beim Camerimage-Festival und gab im vergangenen Jahr in Bitola eine Masterclass.

Doch wer mit diesen Größen ihres Fachs ins Gespräch kommen will, der ist mit dem Festival in Bitola besser bedient, sagt etwa Rainer Klausmann, langjähriger Kameramann Fatih Akins und zweifacher Preisträger des Manaki Brüder Festivals (zu den diesjährigen Preisträgern geht es hier). In diesem Jahr machte sich der Schweizer zum dritten Mal in Folge nach Bitola auf, weil er sich auf dem Manaki Brüder Festival besonders wohl fühlt: "Hier kommen regelmäßig großartige Leute her, in diesem Jahr waren zum Beispiel Jorgos Arvanatis ( Kameramann des legendären griechischen Regisseurs Theo Angelopoulos, Anm. d. Red.) oder José Luis Alcaine ( Kameramann von Pedro Almodovar, Anm. d. Red.) da. Das sind alles große Namen, und die kommen allen gerne hierher, also muss das Festival schon einen speziellen Reiz haben."

Der Schweizer Kameramann Rainer Klausmann in Bitola: "Hier kommen regelmäßig großartige Leute her." (Foto: Paul Katzenberger)

Die besondere Attraktivität des Manaki Brüder Festivals erklärt sich Klausmann mit seiner familiären Atmosphäre: "Es ist schön hier, weil es so persönlich ist", sagt er. "Es ist kein Schaulaufen, man trifft sich und spricht miteinander freundschaftlich und ehrlich über die Probleme, die man selber beim Filmemachen hat." Eine solch konstruktives Miteinander sei im Festivalzirkus sehr selten geworden, sagt der 70-Jährige aus seiner langjährigen Erfahrung: "Meistens geht es immer gleich ums Geschäft und Geld, und jeder tut so wichtig und gibt vor, wie toll er ist, doch hier ist man einfach ganz normal unterwegs."

Auch das Camerimage-Festival in Polen werde immer größer und immer mehr zu einem Markt, sagt der Kameramann: "Hier will einem niemand eine Kamera verkaufen oder davon überzeugen, wie toll irgend eine Linse ist, dort schon.

"Wenn der Fatih kommt, dann mache ich das"

Seine Begeisterung für das Manaki Brüder Festival bewog Klausmann dazu, seinen langjährigen Freund und Arbeitspartner Fatih Akin zu überreden, in diesem Jahr ebenfalls nach Bitola zu kommen. Anlass war Festivaldirektorin Gena Teodosievskas Anfrage bei ihm, eine Masterclass zu halten. Allein wollte Klausmann eine solche Lehrstunde über seine Arbeit aber nicht abhalten: "Es ist nicht meine Art", sagt Klausmann, "Filmausschnitte zu zeigen. Denn wenn man einen Film von 90 Minuten macht und dann nimmt man eine Minute raus, dann ist das eine Zusammenstellung von High Lights, die mit dem Film gar nichts zu tun haben muss. Man sucht sich eine gute Stelle heraus, die man zeigt, und die nächste Einstellung ist vielleicht Blödsinn. Das ist wie ein Werbespot, und ich mache für mich nie Werbung, dann will ich auch diese Art von PR nicht betreiben. Das kann ich einfach nicht."

Er habe Teodosievska aber versprochen: "Wenn der Fatih kommt, dann mache ich das." Denn dann gehe es mehr um die menschlichen Aspekte bei der Zusammenarbeit, und nicht so sehr um die Technik auf der Leinwand."

Tatsächlich ließ sich Akin trotz engen Terminkalenders dazu breitschlagen, nach Nordmazedonien zu kommen. Seine und Klausmanns gemeinsame Masterclass auf der großen Bühne des Fesitvalkinos offenbarte das tiefe Vertrauensverhältnis, das zwischen den beiden besteht. Akin arbeitet seit seinem Berlinale-Siegerfilm "Gegen die Wand" von 2004 normalerweise immer mit denselben Leuten. Doch bei seiner Verfilmung von Wolfgang Herrndorfs Jugendroman "Tschick" wurde er 2016 kurzfristig für die Regie nachbesetzt, nachdem sich Produzent Marco Mehlitz und der ursprünglich vorgesehene Regisseur David Wnendt wegen künstlerischer Differenzen überworfen hatten. Für Akin bedeutete das, dass er zu einem bestehenden Team stieß, dessen Mitglieder er zum großen Teil nicht kannte.

Ließ sich trotz engen Terminkalenders dazu überreden, nach Nordmazedonien zu kommen: Regisseur Fatih Akin in Bitola. (Foto: Paul Katzenberger)

Auf seinen Kameramann Rainer Klausmann wollte er aber nicht verzichten, wie Akin in Bitola verriet: "Nach all den gemeinsamen Projekten über viele Jahre hinweg verstehen wir uns blind. Der eine versteht immer schnell, was der andere meint. Deswegen bestand ich darauf, dass der Kameramann ausgetauscht wird."

Klausmann will sowieso nur noch mit Akin arbeiten: "Früher als ich noch für mehr Regisseure tätig war, habe ich meinen Assistenten öfters gesehen als meine Frau. Das will ich nicht mehr."

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