Ukraine- Konflikt:Donbass - Landstrich ohne Zukunft

Wladimir Putin und Petro Poroschenko

Waldimir Putin (rechts) und Petro Poroschenko.

(Foto: dpa)

Zerstört, entvölkert und wirtschaftlich am Ende. Lassen Kiew und Moskau die umkämpfte Ostukraine zu einer Region ohne Perspektive verkommen? - Die Anzeichen mehren sich.

Kommentar von Cathrin Kahlweit

Der Krieg in der Ostukraine geht ins zweite Jahr. Zwölf Monate und zwei Friedensabkommen später sind 6000 Menschen umgekommen, 14 000 verwundet, Millionen geflohen. Beide Konfliktparteien misstrauen einander zutiefst und halten das Minsker Abkommen für wenig mehr als ein Stück Papier, das aufgrund internationalen Drucks unterzeichnet wurde, aber keinen realen Gehalt hat.

Das Parlament in Kiew hat zum Beweis vor einigen Wochen ein Gesetz verabschiedet, das einen Sonderstatus für den Donbass vorsieht. Aber die Gebiete, in denen die Volksrepubliken ausgerufen wurden, sind ausgeschlossen - bis sie wieder "befreit" sind. Und Separatistenführer Alexander Sachartschenko aus Donezk hat zeitgleich angekündigt, der Kampf sei erst zu Ende, wenn die Gegenden um Mariupol und Charkiw, die jetzt noch unter ukrainischer Verwaltung stünden, "unter Kontrolle gebracht", also erobert seien.

Putin soll Donbass abgelehnt haben

Die Rhetorik klingt unversöhnlich. Kompromisse sind anscheinend nicht vorgesehen. Und doch mehren sich gleichzeitig die Anzeichen dafür, dass der Donbass für beide Seiten immer mehr zu einer schweren Last wird, die Kiew lieber heute als morgen los wäre und Moskau nicht auf Dauer schultern möchte.

Das erscheint nur auf den ersten Blick widersinnig. Eine - in Kiew umgehend dementierte - Zeitungsmeldung aus Moskau klingt aber so, als wenn sie wahr sein könnte; und wenn sie nicht wahr ist, dann ist sie gut erfunden. Demnach soll der ukrainische Präsident Petro Poroschenko seinem Kollegen Wladimir Putin den Donbass auf dem Silbertablett angeboten haben; "nehmt ihn euch doch", soll er im Februar hinter den Kulissen in Minsk gesagt haben, worauf Putin geantwortet habe, er brauche den Donbass nicht.

Der Donbass wird für Moskau wie für Kiew zur Last

Rein ökonomisch gesehen wäre die doppelte Verweigerung nachvollziehbar. Schon vor dem Krieg schrumpfte die Bevölkerung der Industrieregion im Osten doppelt so schnell wie der Rest des Landes, parallel vollzog sich eine schleichende Deindustrialisierung - auch wenn bis 2014 immer noch 35 Prozent der ukrainischen Kohle und 22 Prozent des Stahls aus der Region kamen. Der Preis: hohe Subventionen in veraltete Anlagen und Infrastruktur, denn ausländische Investitionen blieben aus.

Und heute? Ist die Industrieproduktion mit dem Krieg noch einmal um 60 Prozent gefallen, Zehntausende Kleinbetriebe sind bankrott, alle Chemiefabriken stehen still, Bergwerke sind zerstört oder geflutet. Wer wollte, wer sollte das retten, aufbauen? Die Russen, die schon an der Krim mehr als genug zu tragen haben und mit einem rasanten ökonomischen Niedergang konfrontiert sind? Die Ukraine, die permanent am Staatsbankrott entlanglaviert?

Am Ende könnte eine von zwei Seiten aufgegebene Region bleiben

Das Geld, das die Separatisten aus Russland bekommen, reicht nicht einmal, um die ärgste Not zu lindern. Nicht von ungefähr hat Sachartschenko jetzt von der ukrainischen Regierung verlangt, endlich die Sozialleistungen für die Bewohner des Donbass wieder aufzunehmen und die "Wirtschaftsblockade zu beenden". Kiew aber wird auf keinen Fall das System alimentieren, das es ausbluten will.

Der ukrainische Premier Arsenij Jazenjuk räumt ein, dass die Separatistengebiete auf lange Zeit verloren seien. Strategische Überlegungen, ob sich die Ukraine ohne den zerstörten und entfremdeten Osten besser entwickeln könnte, werden längst angestellt. Bislang gilt es als unvorstellbar, dass so etwas laut geäußert wird, aber die Zeit wird kommen. Schon jetzt plädiert ein Drittel aller Ukrainer für "alle Zugeständnisse" bei der Befriedung des Landes. Und schon jetzt sind die "Volksrepubliken" praktisch russische Protektorate. Wenn alle, die noch wollen oder können, gegangen sind, bleibt: eine von zwei Seiten aufgegebene Region, eine sterbende Landschaft.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: