Ein Geschenk an seine Heimat. Ein Ausdruck der Verbundenheit. Ein Zeichen der Freundschaft. So interpretieren es viele, als der sowjetische Generalsekretär Nikita Chruschtschow 1954 die vormals russische Halbinsel Krim der ukrainischen Sowjetrepublik vermacht. Chruschtschow, damals der mächtigste Mann in Moskau, war im ukrainischen Kalinowka geboren und entsprechend argwöhnisch wurde seine plötzliche Entscheidung über die Krim aufgenommen. Doch die Sowjetunion sah sich als Vielvölkerstaat - und dass die kommunistische Gemeinschaft zerbrechen und Moskau einmal die Hoheit über seine Halbinsel verlieren könnte, ahnte wohl selbst Chruschtschow damals nicht.
Und nun will Putin die russische Armee auf die Krim schicken, weil russische Bürger in Gefahr seien (mehr dazu im Newsblog). In Russland ist man sich spätestens jetzt weitgehend einig: Das Geschenk von Chruschtschow war ein historischer Fehler. Hätte der Sowjetpolitiker damals das Gebiet nicht an die Ukraine abgetreten, müsste Moskau jetzt nicht um einen seiner wichtigsten militärischen Stützpunkte kämpfen.
Denn auf der Krim ist seit vielen Jahren die russische Schwarzmeerflotte stationiert. Deren Tradition geht zurück bis ins 18. Jahrhundert*, als Katharina die Große dort die Hafenstadt Sewastopol gründete. Die neue ukrainische Führung unter Interimspräsident Alexander Turtschinow und Übergangspremier Arsenij Jazenjuk richtet den Blick allerdings klar nach Europa - und weniger nach Russland. Moskau fürchtet daher, dass die Ukraine die Verträge über die russische Flottenstationierung nach den nächsten Wahlen kippen könnte.
Dass Russland auf der Krim seine Schwarzmeerflotte bis heute stationiert hat, geht zurück auf einen Ende der 90er Jahre geschlossenen Vertrag. Nach dem Zerfall der Sowjetunion gehörte die Krim nun offiziell der unabhängigen Ukraine an. Russlands erster Präsident Boris Jelzin einigte sich nach jahrelangen, zähen diplomatischen Verhandlungen mit Kiew schließlich auf einen Vertrag, der den Verbleib der russischen Schwarzmeerflotte für die nächsten 20 Jahre regeln sollte.
In dem Dokument legten die beiden Staaten zum einen die Aufteilung der ehemals sowjetischen Flotte untereinander fest - der Großteil ging an Russland. Zum anderen verpachtete die Ukraine mehrere Stützpunkte an Moskau. Deren Nutzung war teuer: Mehr als 97 Millionen US-Dollar verlangte die Ukraine pro Jahr. Obwohl die ukrainische Verfassung eigentlich gar keine fremden Truppen auf eigenem Territorium zulässt, ermöglichte eine separate Klausel über eine zeitweilige Stationierung ausländischen Militärs das Abkommen.
Anteil der Bevölkerung in der Ukraine, die 2004 Russisch als Muttersprache angegeben hat
(Foto: SZ Grafik/SZ.de/mcs)