Ukraine:Geteiltes Land

In etlichen Städten wählen die Ukrainer neue Bürgermeister. Die Ergebnisse der Stichwahlen zeigen, welcher Oligarch wo Einfluss hat. Die OSZE-Wahlbeobachter kritisieren, dass die Wahlen beeinflusst wären.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Die Stichwahlen, mit denen in zahlreichen Großstädten der Ukraine die Bürgermeister bestimmt wurden, sind vorbei - und am Sonntag zeigte sich in der zweiten Runde der Regional- und Kommunalwahlen erneut, dass die Ukraine mittlerweile ein geteiltes Land ist. Es ist nicht etwa zweigeteilt in Ideologien, Kulturen oder Sprachen, wie immer wieder behauptet wird. Das Land scheint vielmehr zunehmend in die Machtbereiche mehrerer Oligarchen und der von ihnen gesteuerten Parteien zu zerfallen. So wurde in Kiew Vitali Klitschko und somit ein Anhänger von Präsident Petro Poroschenko wiedergewählt, während in Dnjepropetrowsk der Kandidat des örtlichen Oligarchen Ihor Kolomojskij gewann. Der siegreiche Kandidat in der ostukrainischen Stadt, Boris Filatow, war für die jüngst neu geschaffene Ukrop-Partei angetreten, die von Kolomosjkij finanziert wird. Sein Gegner vom Oppositionsblock (der früheren Partei der Regionen), der von zahlreichen Finanziers des alten Regimes von Ex-Präsident Viktor Janukowitsch unterstützt worden war, unterlag deutlich - das wäre im Osten des Landes früher nur schwer vorstellbar gewesen. In Odessa wiederum hatte schon in der ersten Runde nicht, wie allseits erwartet, ein Kandidat des von Poroschenko engagierten Gouverneurs Michail Saakaschwili das Rennen gemacht, obwohl dieser einen Ruf als Reformer hat und über einflussreiche Mittelsmänner in der Stadt verfügt, sondern der amtierende Bürgermeister.

Beobachter rügen, dass "Wirtschaftsinteressen" die Wahl beeinflusst haben

Die OSZE-Wahlbeobachter kritisierten, dass "Wirtschaftsinteressen die Wahlen massiv beeinflusst" und die Kandidaten es mehr darauf abgesehen hätten, Bündnisse zum Machterhalt zu schießen, als den Wählern ernsthafte Programme zu präsentieren. Die Wahlbeteiligung war aufgrund absehbarer Ergebnisse sowie des Mangels an inhaltlichen Auseinandersetzungen dementsprechend gering, in Kiew etwa lag sie bei unter 30 Prozent. Ohnehin sind es derzeit zwei andere Themen, die Regierung und Bevölkerung gleichermaßen beschäftigen: das Wiederaufflackern des Krieges im Osten - und die Visa-Liberalisierung, die zu mehr Reisefreiheit in Richtung Westen führen soll.

In der vergangenen Woche hatten Regierung und Präsident eine Reihe von Gesetzen, die als Voraussetzungen für die Visa-Freiheit der Ukrainer in der EU gelten, im Parlament durchgesetzt - allerdings nur mit großer Mühe. So hatte Brüssel zur Bedingung gemacht, dass die Diskriminierung von Homosexuellen am Arbeitsplatz im sogenannten Arbeitsgesetzbuch verankert wird; dieser Vorstoß war in der ersten Lesung am Widerstand von Abgeordneten aller Parteien gescheitert. Erst nach Visiten von EU-Botschafter Jan Tombinski und der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini sowie einer massiven Intervention des Präsidenten stimmten die Parlamentarier einer Gesetzesänderung unter Protest zu; der Vize-Premier betonte aber gleichzeitig, dass es in der Ukraine keine Homo-Ehe geben werde. Auch für Reformen, die einer effektiveren Korruptionsbekämpfung dienen sollen, wurde die Zustimmung in der Rada nur mit Druck erreicht. Poroschenko bemühte sich dennoch, Zuversicht zu zeigen: Diese Reformen seien die "Bestätigung der proeuropäischen Evolution der ukrainischen Mentalität".

Parallel dazu wuchs in Kiew die Sorge darüber, dass der Waffenstillstand im Donbass scheitern könnte. In den vergangenen Tagen hatte es nach einer Phase relativer Ruhe wieder zahlreiche Schusswechsel und auch wieder mehrere Tote gegeben, bei Donezk wurde erneut gekämpft. Die ukrainische Regierung überlegt öffentlich, ob sie ihre gerade erst abgezogenen Waffen wieder an die Frontlinie zurückverlagern soll. Separatisten würden, so Vertreter der ukrainischen Armee, wieder verstärkt Artillerie einsetzen, auch die Beobachter der OSZE bestätigen das. Das Außenministerium ließ verlauten, man gehe davon aus, dass die Separatisten "absichtlich" versuchten, das Minsker Abkommen zu unterlaufen.

Innenminister Arsen Awakow warnte die Bevölkerung, man rechne außerdem mit Terrorakten von "anti-ukrainischen Kräften" in einigen Großstädten, insbesondere in den nahe der Front gelegenen Städten Charkiw und Dnjepropetrowsk.

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