Süddeutsche Zeitung

Ukraine:Ein großer Gefangenenaustausch könnte bevorstehen

  • Nach dem Ukraine-Gipfel in Paris könnte es nun doch bis Jahresende noch zu dem geplanten Gefangenenaustausch zwischen der Regierung in Kiew und den prorussischen Separatisten kommen.
  • Die Konfliktseiten haben sich Medienangaben zufolge auf die Freilassung bis Jahresende geeinigt.
  • Deutlich schwieriger dürfte der bis Jahresende angestrebte Waffenstillstand sowie die Räumung von Minen werden.

Von Frank Nienhuysen

Das Neujahrsfest ist für die meisten Russen und Ukrainer das wichtigste Fest im Jahr, und für einige von ihnen dürfte damit auch eine neue Freiheit beginnen. Nach einem Bericht der russischen Zeitung Kommersant haben sich die ukrainische Regierung und die beiden selbsternannten "Volksrepubliken" Donezk und Luhansk in einer Videokonferenz darauf geeinigt, an diesem Sonntag ihre Gefangenen auszutauschen. Dies wäre ein wichtiger Fortschritt im Ukraine-Konflikt. Die Zeitung berief sich dabei auf zwei verschiedene, jedoch nicht genannte Quellen. Schon unmittelbar vor Weihnachten hatten sich die beiden Seiten auf einen Austausch "alle gegen alle" bis zum Jahresende geeinigt; allerdings hieß es in Kiew, dass die Liste der freizulassenden Personen noch nicht fertiggestellt worden sei.

Anfang dieser Woche hatte der Kommersant berichtet, einige Dutzend Gefangene, die Kiew bereit sei auszutauschen, würden eine Übergabe an die international nicht anerkannten "Volksrepubliken" gar nicht wollen. Nun müsse geprüft werden, ob sie sich "tatsächlich freiwillig" weigerten, auf die Austauschliste zu kommen. Dies solle der Schweizer OSZE-Diplomat Toni Frisch klären, der für die Trilaterale Kontaktgruppe humanitäre Fragen koordiniert und auf allen Seiten hohes Ansehen habe.

Der Kontaktgruppe gehören neben der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) auch Russland und die Ukraine an. Wie viele Gefangene genau bis Jahresende ausgetauscht werden, ist nicht bekannt. Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij hatte jedoch vor drei Wochen von 100 Personen aus dem Donbass sowie von 250 aus Kiew gesprochen.

Der vereinbarte Gefangenenaustausch bis Ende dieses Jahres ist eines der wichtigsten Ergebnisse des Normandie-Treffens am 9. Dezember in Paris. An dem Ukraine-Gipfel hatten neben Selenskij auch Russlands Präsident Wladimir Putin, der französische Staatschef Emmanuel Macron sowie Bundeskanzlerin Angela Merkel teilgenommen. Es war das erste Treffen dieser Art seit drei Jahren gewesen. Merkel sagte anschließend: "Wir haben heute die Zeit des Stillstands überwunden." Bereits im September hatten die Konfliktparteien mehr als 70 Gefangene ausgetauscht und so die Grundlage für etwas mehr Vertrauen geschaffen.

Deutlich schwieriger dürfte der bis Jahresende angestrebte Waffenstillstand sowie die Räumung von Minen werden. Eine weitere Truppenentflechtung ist ohnehin erst bis Ende März geplant. Kanzlerin Merkel hat bereits den in Paris vereinbarten Waffenstillstand als "schon sehr ambitioniert" bezeichnet. Selenskij sagte sogar, er wisse "ehrlich gesagt bisher nicht, wie die Situation kontrolliert werden kann". In ihrem bisher letzten veröffentlichten Tagesprotokoll berichtete die OSZE am Dienstag von etwa 80 Explosionen, die allein am Vortag im Donezker Gebiet festgestellt worden seien. Immerhin seien dies bereits deutlich weniger gewesen als die 370 Explosionen am vorigen Sonntag.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4737413
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 28.12.2019/jsa
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.