Die EU will die ungarische Blockade des gemeinsam mit den USA geplanten Hilfskredits für die Ukraine umgehen und dem überfallenen Land zunächst ohne Washington Geld zur Verfügung stellen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigte bei ihrem Besuch in Kiew am Freitag an, dass die Ukraine von der EU ein weiteres Darlehen von „bis zu 35 Milliarden Euro“ bekommen solle. Die Ukraine braucht das Geld dringend, um einen finanziellen Kollaps des Staates zu verhindern.
Ursprünglich hatten sich die EU und die G-7-Länder, darunter die USA, darauf geeinigt, der Ukraine einen Kredit von 50 Milliarden Dollar zu geben. Dieser sollte mit den Erträgen finanziert werden, den das in der EU – vor allem in Belgien – eingefrorene Vermögen der russischen Zentralbank erwirtschaftet. Allerdings muss der europäische Sanktionsbeschluss, durch den dieses Vermögen eingefroren wurde, alle sechs Monate einstimmig von den EU-Ländern verlängert werden. Die USA befürchteten, dass die russlandfreundliche Regierung in Ungarn irgendwann querschießen und damit das Finanzierungskonzept infrage stellen könnte. Dieses Risiko wollte Washington nicht eingehen – der Kreditplan geriet dadurch ins Wanken.
Auch Verhandlungen darüber, den Zeitraum zwischen den Verlängerungsbeschlüssen auf mehrere Jahre auszudehnen und Budapests Einfluss dadurch zu reduzieren, scheiterten am Widerstand Ungarns. Deswegen schlägt die EU-Kommission nun einen anderen Weg vor, den Budapest nicht blockieren kann: Das noch bis Jahresende laufende und von allen EU-Regierungen bereits gebilligte Hilfspaket für die Ukraine soll um einen Kredit von 35 Milliarden Euro aufgestockt werden. Das ist nach Ansicht der Kommission mit einer sogenannten qualifizierten Mehrheit der EU-Länder möglich, Ungarn hat kein Veto.
Auch dieser Kredit soll aus den Erträgen des russischen Vermögens finanziert werden, die in der EU eingefroren sind. Dabei handelt es sich um knapp 200 Milliarden Euro, die pro Jahr 2,5 bis 3,5 Milliarden Euro an Gewinn abwerfen. Das politische Risiko, dass dieses russische Vermögen irgendwann wegen einer Weigerung Ungarns, die Sanktionen zu verlängern, freigegeben werden muss, tragen die Europäer nun allein. Die Ukraine bekommt statt der ursprünglich versprochenen 50 Milliarden Dollar zunächst höchstens 35 Milliarden Euro.